Bahnreisen durch Europa?
Der Taschenspeigel sprach mit Joan Worth, Bahnreisender aus Leidenschaft und Gründer der Kampagne “Züge für Europa“. Er legte seit Juni 2022 68000km in 454 Zügen zurück und überquerte über 150 internationale Bahngrenzen.*
Jon Worth ist seit langem auf Europas Schienen unterwegs, weil er als Kommunikationsberater in der ganzen EU- tätig ist. Auf seinen Reisen blieb er häufig im wahrsten Sinne des Wortes stecken: Verspätungen, mangelnde Anbindung, schlechtes Ticketing waren die Gründe. So entschloss er sich, ein Projekt zu starten, um auf die Miseren im Grenzübergreifenden Bahnverkehr aufmerksam zu machen. Als Blogger in Brüssel nutzt er jetzt sein Netzwerk innerhalb der Institutionen, um mehr öffentliches Interesse für sein Anliegen zu wecken, den CO2 Ausstoß zu verringern und Bahnfahren zu vereinfachen. In Österreich geht es bereits auf allen Ebenen gut voran: international, national, lokal, Hochgeschwindigkeit, Ticketing. Auch die Bahnhöfe werden renoviert. In der Schweiz läuft noch besser, weil die Bahn als Mobilitätsprojekt stark subventioniert wird. Sie subventioniert zweimal so viel pro Einwohner wie Österreich, das wiederum dreimal so viel subventioniert wie die Deutschen. Spanien liegt etwas oberhalb der Subventionen in Deutschland, weil gerade viele Hochgeschwindigkeitsstrecken gelegt werden. Das sagt viel.
Besonders schwierig wird es in Europa, wenn man die Grenzen überfahren muss. Auch hier spielen Staaten wie Österreich eine Vorreiterrolle, denn nach Italien gibt es eine dichte Taktung, Ticketbuchung ist einfach, die Züge fahren sehr regelmäßig. Worth ist davon überzeugt, dass es gut wäre, wenn sich die EU- Kommission des Themas direkt annehmen würde. Es wird seit langem viel in nationale Infrastrukturen von ihrer Seite investiert, aber nicht genug geprüft, ob diese Infrastrukturen auch die Länder besser bilateral verbinden. Im Februar wurde endlich der CrossBorderRail-Pilot von der EU auf den Weg gebracht. Es gilt zu sehen, wo es warum nicht klappt. Die EU kann die nationalen Entscheidungsträger zusammenbringen, um die Knackpunkte zu analysieren. Sie hat sich mit nationalen Bahnunternehmen in Verbindung gesetzt, damit sie mehr bei praktischen Problemen helfen kann.
Wo kann schnell etwas gemacht werden, um Bahnreisen attraktiver zu machen? Streckenverbindungen werden häufig nur im nationalen Fahrplan angezeigt, wo die meisten internationalen Anbindungen wiederum nicht erscheinen. Es sind nach Worth auch nicht die relativ hohen Preise, die Reisenden vom Bahnfahren abhalten, denn alle Züge sind voll ausgelastet. Leider setzen die nationalen Bahnfirmen ganz klassisch auf Profitmaximierung nicht Kapazitätsmaximierung. Der TGV mit acht Wagen zwischen Barcelona und Paris ist zwischen Mai und September jeden Tag ausgebucht. Es müssten Kapazitäten erhöhen werden, um Kosten reduzieren zu können. Auf dem aktuellen Netz könnte die Kapazität verdreifacht werden, wenn man mehr Wagen anhängt oder Doppelstockwerkzüge nimmt. Bei denen europäischen Bahnen funktioniert leider– anders als beim Fliegen – der Konkurrenzdruck nicht. Unternehmen sitzen auf ihren Pfründen. Es gäbe jedoch die Möglichkeit die Kapazitäten zu erhöhen, um mehr Gewinn zu machen bei gleichzeitigem Senken der Tarife.
Eine alte Strecke begeistert Worth. Die Linie Pau, Bedouse, Canfranca, Zaragossa. Mitten in den Pyrenäen im Nirgendwo wurde diese sehr gebirgige Strecke Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut und in den 70er Jahren wegen eines schweren Unfalls auf der Strecke stillgelegt. Jetzt soll das unterbrochene Teilstück mit Hilfe von EU-Mitteln wieder erschlossen werden. Vom Fahrgastaufkommen sicher nicht so interessant, aber es kommt politisch wegen der beiden Regionen Aragon und Pyrénées-Atlantiques voran. Das sind die notwendigen Motoren.
Von Ina Laiadhi, Juli 2023
Infos:
Joan Worth: #CrossBorderRail,
https://transportpublic.org/es/epf2023/
Schlagwörter: Ausflüge, Europa, Interviews