Bauen in Barcelona zwischen 1929 und 1939
Im Jahr 1929 war Barcelona wie schon so oft in seiner Geschichte an einem Umbruch angelangt. Die Zeit der großen modernistischen Architekten und ihrer Bauten war zu Ende gegangen. Mit dem Noucentisme entstand eine Gegenbewegung zu der starken Ornamentierung und Individualisierung der Architektur, hin zu einer Rückbesinnung auf die klassischen und klaren Formen und Bauelemente.
Wie schon die Weltausstellung im Jahr 1888 ein Katalysator für die modernistische Architektur war, so wurde dies die Internationale Ausstellung von 1929 für eine neue funktionale Architektur. Die Internationale Ausstellung fand am Montjuïc statt. Der ganze Berg wurde mit Hilfe des renommierten Architekten Josep Puig i Cadafalch (1867-1956) und des auf Gartengestaltung spezialisierten Architekten Claude-Nicolas Forestier (1861-1930) in einen riesigen Stadtpark umgewandelt. Es entstanden viele Attraktionen wie Fontänen, Stadien, ein Open Air-Theater und natürlich das Museu Nacional d’Art de Catalunya. Ein Höhepunkt der Ausstellung war der deutsche Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe (1886-1968) und Lilly Reich (1185-1947) , der bis heute in seiner Gradlinigkeit und Schlichtheit stilbildend ist. Angezogen von den Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten der Ausstellung kamen unzählige Menschen nach Barcelona. 1930 erreichte die Bevölkerungszahl 1 Million Menschen. Die Stadt konnte die große Zahl von Arbeitern nicht gerecht unterbringen. Am Montjuïc und in Poble Nou entstanden Slums. Tausende Menschen lebten in erbärmlichsten Umständen. Die Politik war damals keine Hilfe für diese armen Menschen. Von 1923 bis 1930 herrschte der Diktator Miquel Primo de Rivera (1870-1930) in Spanien. Unter seiner Ägide wurde das Programm ‚Casas Baratas’ in Barcelona gegründet. 2200 dieser ‚billigen Häuser’ wurden damals gebaut, die aber ein Misserfolg waren. Mit 50 qm waren sie viel zu klein, zudem lagen sie in einer isolierten Gegend ohne Anbindung, Einkaufs- oder Erholungsmöglichkeiten. Aber was erwartet man von einem Diktator – sicher nicht, dass er sich mit Empathie um seine Arbeiter kümmert.
Nach dem Ende der Diktatur, in der Zeit der 2. Spanischen Republik (1931-1939) gründeten junge Architekten die Gruppe GATCPAC. GATCPAC steht für „Grup d’Arquitectes i Tècnics Catalans per al Progrés de l’Arquitectura Contemporània“. Das Ziel dieser avantgardistischen Gruppe war die funktionale Einteilung der Stadt in Wohnbereiche und Arbeitsbereiche, Freizeitzonen und Straßen- und Wegenetze. Unterstützt wurde die Gruppe von Le Corbusiers sogenanntem ‚Macia-Plan’ (1930-1934), der mit den herkömmlichen Stadtplanungen brach. Alte Viertel sollten durch neue ersetzt werden. Die Häuser der Altstadt mit Heizungen und sanitären Einrichtungen versehen werden. Die Gran Via wurde als Verbindung nach Castelldefels erweitert, damit die Stadt mit dem Naherholungsgebiet und dem Strand verbunden wurde. Der wohl bekannteste Architekt dieser Gruppe war auch deren Leiter Josep Lluis Sert (1902-1983), der später unter anderem als Freund und Architekt von Joan Miró berühmt wurde und dessen Atelier in Palma de Mallorca und die Fundació Miró in Barcelona baute. Die theoretischen Ideen der Gruppe, deren Stil dem europäischen Rationalismus zuzuordnen ist, wurden zwischen 1931 und 1937 in der Zeitschrift A.C. veröffentlicht. Trotz aller Widerstände die GATCPAC seitens der Politik erfuhr, entstanden unter anderem der Wohnblock in der C. Muntaner 342-348, die Casa Jaume Espona oder die Clínica Barraquer alle in Sant Gervasi. Das wohl bekannteste Gebäude der Gruppe steht aber in dem Viertel San Andreu. „Casa Bloc“ wurde von 1932 bis 1936 erbaut. Die Architekten waren neben Sert, Josep Torres Clavé und Joan Baptista Subirana. Die Anlage bestand aus fünf Gebäuden, die S-förmig angeordnet waren. Die 200 Wohnungen waren für die Arbeiter bestimmt, die noch in den Slums lebten. Das Hauptziel der Architekten war es, saubere, helle, und bezahlbare Wohnungen zu bauen, um das Leben der Arbeiter leichter zu machen. Es sind Maisonette-Wohnungen und alle Räume besitzen Tageslicht. Die Gebäude waren auf Säulen gebaut, damit die Bewohner auch Grünanlagen hatten.
GATCPAC genoss die Anerkennung und die Unterstützung in der Bevölkerung. Der Spanische Bürgerkrieg stoppte nicht nur die Bautätigkeiten, sondern es wurden auch 1500 Gebäude allein in Barcelona zerstört. ‚Casa Bloc’ konnte nicht vollendet werden. Nach dem Fall von Barcelona an Franco 1939, wurden die Pläne aufgegeben, dass Arbeiter in ‚Casa Bloc’ leben sollten. Angehörige des Militärs bezogen die Wohnungen und später Offiziere der Nationalen Polizei. Eine Wohnung wurde originalgetreu renoviert und kann besichtigt werden. Sie gibt einen Eindruck von dem, was hätte sein können, wenn Barcelona von Bürgerkrieg und Diktatur verschont geblieben wäre.
Von Gabriele Jahreiß
Schlagwörter: Barcelona, Geschichte