Grippeimpfung 2020/22 – sinnvoll oder nicht?
Wie halten Sie es denn diesen Herbst mit der Grippeimpfung? Vermutlich werden sich ja wegen der Covid19-Pandemie dieses Jahr erheblich mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen. Doch macht das Sinn? Wird es eine Impfpflicht geben? Kann jeder die Impfung bekommen?
Die Impfpflicht ist in Europa bislang nicht einheitlich geregelt, sondern ist Ländersache. In 12 der 28 Mitgliedstaaten gibt es eine Impfpflicht für mindestens eine Krankheit im Kindesalter. Einige Länder, wie z.B. Frankreich und Italien, bestehen gesetzlich auf einer Impfung gegen 11 oder mehr Krankheiten vor dem Kita- bzw. Schulbesuch. Deutschland und Spanien gehörten bislang zu den Ländern, die die Impfpflicht nach der Ausrottung der Pocken abgeschafft haben. Ab 2021 wird sie für Kinder gegen Masern in Deutschland wieder eingeführt. Eine Impfpflicht gegen Grippe gibt es in keinem Land der EU und auch die Impfung gegen Corona wird sehr wahrscheinlich nicht verpflichtend sein.
Studien haben ergeben, dass ein Zwang zur Impfung auch das Misstrauen gegen diese stärkt! In Spanien haben 92% der Bevölkerung großes Vertrauen in die Wirksamkeit der Impfungen und akzeptieren sie als risikoarme Maßnahme gegen schwere Krankheiten. Auf freiwilliger Basis lassen 97% der Eltern ihre Kinder gegen Masern impfen. Impfgegner gibt es nur wenige. Anders in Belgien und Frankreich, dort misstrauen viele Menschen den Impfungen und es gibt viele Impfgegner, die Angst vor den Nebenwirkungen einer Impfung schüren.
In Deutschland wird die Grippeimpfung schon seit Jahren für bestimmte Gruppen empfohlen und von den Krankenkassen bezahlt, aber trotzdem lassen sich viele Menschen, auch Ältere und Mediziner, nicht impfen. Doch dieses Jahr, so vermutet man, wird das anders werden und schon jetzt sind viele der empfohlenen Impfstoffe nicht mehr zu bekommen und viele Menschen wollen sich beim Arzt den Grippeimpfstoff reservieren lassen.
Geändert hat sich an der Impfempfehlung allerdings nichts. Die deutsche STIKO (Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts) empfiehlt, genau wie die Gesundheitsinstitute der anderen Länder, dass sich Personen ab 60 (in Spanien ab 65), Schwangere, Personen mit chronischen Krankheiten und Personen, die im medizinischen Bereich arbeiten, gegen Grippe impfen lassen. Verwendet werden sollte ein quadrivalenter Totimpfstoff, mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination. Die Impfung wir auch empfohlen, wenn keine Änderung des Impfstoffes zum Vorjahr besteht, da die Wirkung dieser Impfung nach circa 6 Monaten nachlässt.
Der richtige Zeitpunkt für die Impfung ist Ende Oktober/Anfang November. Zwei Wochen nach der Impfung hat der Körper einen Schutz gegen die Viren aufgebaut und dieser ist dann für mindestens sechs Monate wirksam. Grippeviren sind normalerweise von Januar bis Ende März besonders aktiv.
Die Angst, eine Grippeimpfung könne eine Grippe auslösen, ist unbegründet. Da es sich um einen Totimpfstoff handelt, befinden sich keine vermehrungsfähigen Viren im Impfstoff und die Auslösung einer Infektion kann für den Geimpften und alle Kontaktpersonen ausgeschlossen werden. Als Nebenwirkung kann es aber zu Allgemeinsymptomen, wie Frösteln, Schlappheit und Muskelschmerzen kommen, da der Körper auf den Impfstoff reagiert. Diese Symptome sollten aber nach zwei bis drei Tagen abklingen. Sehr selten können auch schwere Impfreaktionen auftreten, z.B. ein anaphylaktischer Schock.
Die Frage, ob die Grippeimpfung in Zeiten der Covid-19-Pandemie sinnvoll ist, ist klar mit „ja“ zu beantworten, wenn sie sich auf die oben genannten Risikogruppen bezieht. Wer ein hohes Risiko hat, an einer oder gar beiden Krankheiten schwer zu erkranken, sollte sich unbedingt impfen lassen. Sowohl der Risikopatient als auch die Gemeinschaft profitieren davon. Durch eine Grippe wird ein sowieso schon geschwächtes Immunsystem weiter geschwächt und Erreger wie z.B. Covid-19 oder auch Pneumokokken (häufigster Erreger der Lungenentzündung) haben leichtes Spiel. Schwer Grippeerkrankte benötigen Intensivbetten und können während der Pandemie zu Engpässen im Krankenhaus beitragen. Die Grippeimpfung der Risikopatienten kann also helfen, dies zu vermeiden. Personen allerdings, die nicht zu den Risikogruppen gehören, sollten den Impfstoff erst einmal denen überlassen, die ihn benötigen, damit es nicht auch hier zu Engpässen kommt.
Viele der Maßnahmen, die wir zur Zeit ergreifen, um uns nicht mit Covid-19 anzustecken, können auch das Ansteckungsrisiko mit Grippeviren senken. Da die Ansteckungswege ähnlich sind, hilft es auch hier, die Hygieneregeln einzuhalten und das Immunsystem zu stärken. Gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Bewegung an der frischen Luft und eventuelle Sauna- oder Kneippanwendungen können hilfreich sein, um das Immunsystem zu stärken. Neben der Grippeimpfungen ist den Risikogruppen auch eine Pneumokokken-Impfung und eine Impfung gegen Herpes Zoster zu empfehlen.
Von Birgit Carls-Eisenberg, Pharmazeutin, September 2020
Weitere Infos
Robert-Koch-Institut www.rki.de/DE
Schlagwörter: Gesundheit