„Ich kann, weil ich will, was ich muss“
300 Jahre Immanuel Kant 1724 – 2024
Muss einer erst durch die Welt reisen, um sie verste-hen zu können? Immanuel Kant musste es nicht. Den Großraum Königsberg, seine Heimat in Ostpreußen, hat er nie verlassen nd verstand die Welt trotzdem wie kaum ein Mensch zuvor. Mit seinen Ideen und mit seinem Hauptwerk „Kritik der reinen Vernunft“ schaff-te er einen Wendepunkt in der Philosophie und prägte die Epoche der Aufklärung.
Er stellte die vier wesentlichen Fragen der Philosophie: “Was kann ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was darf ich hoffen?“ und „Was ist der Mensch?“. Seine Suche nach Antworten auf diese Fragen nannte er Erkenntnistheorie. Er regte eine neue Denkweise an und rief dazu auf, Eigenverantwortung zu über-nehmen. Der berühmte Satz “Sapere aude” (“Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen”) brachte ihn in aller Munde. Er rief in seinen Schriften dazu auf, sich von jeglichen Anleitungen (wie Gott) zu lösen und Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen. Dies kam natürlich bei den Kirchen nicht gut an und nach seinem Tod wurden seine Schrif-ten vom Vatikan auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt.
Doch schon zu Lebzeiten ließ Kant trotz zunehmender Verbote nicht von seinem Ansatz ab. Er setzte sich immer weiter mit neuen Werken für ein Umdenken ein. Er prägte die Aufklärung, war Wegbereiter der modernen Idee der Menschenwürde und des Kosmopolitismus, entwarf eine globale Friedensordnung und stellte wie niemand vor ihm den Menschen ins Zentrum seines Denkens.
Kant wurde am 22.02.1724 in Königsberg geboren und stammte aus einer ehrbaren Handwerkerfamilie, die aber während seiner Kindheit verarmte. Stipendien und die Unterstützung eines Onkels ermöglichten ihm den Besuch eines Gymnasiums und ein Studium an der „Albertina“, der Königsberger Universi-tät. Um seine Familie zu unterstützen, arbeitete er zunächst als Hauslehrer bevor er 1755 an die Universität Königsberg zu-rückkehrte. Dort dozierte er ununterbrochen über 40 Jahre lang. Seine Vorlesungen umfassten ein breites Spektrum an Fächern von Logik und Metaphysik über physische Geografie, Mineralogie und praktische Philosophie bis hin zu Ethik, Natur-recht und Pädagogik.
Kant scheint jedoch alles andere als ein verkopfter Theoretiker gewesen zu sein: Er wird als lebenslustiger Mensch und glän-zender Unterhalter beschrieben, gewann Geld beim Billard und Kartenspiel und verkehrte in den vornehmen Kreisen der Königsberger Gesellschaft. In späteren Jahren änderte er jedoch seinen Lebensstil und unterwarf seinen Tagesablauf strikten Regeln.
Seinem Werk widmete sich Kant ein Leben lang. Er blieb Jung-geselle, reiste nie und schlug alle Einladungen und Berufungen an andere Orte aus.
Das letzte Lebensjahr von Immanuel Kant war durch einen schnellen Abbau seiner körperlichen und geistigen Kräfte gekennzeichnet. Deshalb konnte er sein letztes Werk „Opus postumum“ nicht mehr beenden. Im Oktober 1803 erlitt er einen Schlaganfall und verstarb vier Monate später im Alter von 80 Jahren mit den Worten: „Es ist gut“.
Es ist schon erstaunlich: Kant hat nichts anderes getan als zu denken, zu lehren, Bücher und Artikel zu schreiben. Er war kein Politiker, er hat nichts erfunden, hat keine lebensrettende Medizin entwickelt. Trotzdem prägt seine auf das reine Denken bezogene Existenz unsere Welt bis heute.
Von Gaby Goetting, März 2024
Schlagwörter: Europa, Kultur, Literatur