Weniger Klimawandel durch die Corona-Pandemie?
Noch die Meldungen über die positiven Auswirkungen der Lockdown-Maßnahmen im Kopf, sagte ich der TaschenSpiegel-Redaktion einen Artikel über die Auswirkungen der Pandemie auf den Klimawandel zu. Vielleicht doch etwas voreilig?
Die WHO stufte im März 2020 die Erkrankungen durch den COVID-19-Virus als Pandemie ein. Danach wurden in über 50 Ländern landesweite Beschränkungen zur Eindämmung der Infektionen festgelegt, darunter in Großbritannien, Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Südafrika, Indien, Kolumbien, Neuseeland und mehreren US-Bundesstaaten.
Schätzungsweise waren europaweit über 280 Millionen Menschen in Massenquarantäne, 150 Millionen in den USA, fast 1,3 Milliarden in Indien und 50 bis 60 Millionen in China. Mehr als ein Drittel der Menschheit war aufgrund der COVID-19-Pandemie im Lockdown (Stand 30.3.2020).
In Spanien rief Pedro Sanchez am 13. März den Alarmzustand aus, der erst im Juni wieder aufgehoben wurde. Die Arbeit sollte wenn möglich im Home Office erledigt werden und musste häufig mit der Kinderbetreuung vereinbart werden. Ablenkungen und Erholungsphasen durch einen Café- oder Theaterbesuch entfielen. Wir waren alle auf unsere vier Wände beschränkt.
Auch in der Umgebung waren Veränderungen wahrzunehmen. In Barcelona hörten wir keinen Fluglärm mehr, die Luft schien besser und ja die gesamte Stadt war ruhiger ohne die vielen Autos und Motorräder – es war wieder Vogelgesang zu hören.
Natürlich hörten wir gerne, dass die verhängten Lockdown-Maßnahmen ein Segen für das Klima und die Umwelt seien. Mit Freude sahen wir Fotos und Berichte in denen die Großstädte Indiens nicht mehr unter dem Smog verschwanden, das Wasser in den Kanälen Venedigs klar war und Wildschweine durch Madrid rannten.
Deutschland hat sein Klimaziel 2020 doch noch erreicht.
Deutschland konnte in dieser Zeit seine CO2-Emissionen verringern und hat damit sein Ziel der Reduktion um 40 % gegenüber 1990* sogar leicht übertroffen.
Wir sollten aber nicht übersehen, dass zwei Drittel der Minderung auf die Auswirkungen der Lockdown-Maßnahmen zurückzuführen sind. Experten rechnen wieder mit mehr Treibhausgasen, wenn die Wirtschaft und der Verkehr auf ihr altes Niveau zurückkehren.
* Das Vergleichsjahr ist in der Regel 1990
Weltweit ist der CO₂-Ausstoß 2020 um 7 bis 8,8 % zurückgegangen. Dies ist mehr als während der Finanzkrise von 2008 und der Ölkrise von 1979.
Der Sektor mit dem größten Emissionsrückgang war der Verkehr mit deutlichem Rückgang des Luftverkehrs aber auch des Straßenverkehrs.
Dann ist doch alles gut?
Nein, denn auf das „Klima“ – gemeint sind immer Zeitspannen von mindestens 30 Jahren – hat ein kurzzeitiges Absinken der Treibhausgase kaum Einfluss. Es wird die Erwärmung um gerade einmal 0,01 Grad verringern. Der Generalsekretär der WMO (Weltorganisation für Meteorologie) spricht von einer winzigen Delle in einer grundsätzlich nach oben steigenden Kurve. Die WMO analysiert jedes Jahr die Treibhausgase, zu denen vor allem Stickstoffmonoxid, Methan und Kohlendioxid gehören. Nicht alle freigesetzten Gase verbleiben auch in der Atmosphäre. Pflanzen, Meere – die Gesamtheit der Ökosysteme – absorbieren einen Teil der Gase. Doch die Treibhausgaskonzentrationen, so stellt die UN fest, sind auf Rekordniveau mit zunehmender Tendenz. Die Welt ist nicht auf dem Weg, ihre Klimaziele zu erreichen.
Globale Klimaziele
Die Klimaziele wurden auf der Pariser UN-Klimakonferenz (2015) von 197 Staaten beschlossen. Hiernach soll die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter 2 Grad bzw. nach Möglichkeit auf 1,5 Grad begrenzt werden.
Bis 2020 sollten die Länder bekannt geben, welche “ambitionierten Klimaziele” sie sich bis 2030 setzen. Dies haben bisher erst 12 Länder getan. Ehrgeizig zeigen sich dabei einige der kleinen Staaten wie Chile, Ruanda, Südkorea und Norwegen. China als der größten CO₂-Emission-Verursacher verkündete im September, dass es für 2060 die CO₂-Neutralität anstrebt. Die USA hatte unter Trump das Abkommen aufgekündigt, Joe Biden will diese Entscheidung rückgängig machen, er strebt die Klimaneutralität bis 2050 an.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich im Dezember 2020 darauf verständigt, die EU-internen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu senken, bis 2050 soll die Treibhausgasneutralität erreicht werden. In einem europäischen Aktionsplan (Green Deal) wurden die erforderlichen Maßnahmen festgelegt. Sie reichen von Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsschutz über die Mobilität und Industriepolitik bis hin zu Vorgaben in der Energie-, Agrar- und Verbraucherschutzpolitik.
Chancen für die Zukunft
Es ist absehbar, dass Investitionen in Milliardenhöhe getätigt werden, um die Wirtschaft nach der Krise zu stützen. Die UN sieht die Chance, durch klimagerechte Unterstützungsprogramme die Emissionen und damit die Erderwärmung deutlich zu senken. Nötig sind dafür Subventionen für klimafreundliche Techniken, ein Ende der Unterstützung für Kohle, Öl und Gas sowie Aufforstungsprogramme, um den Waldverlust auszugleichen.
Ein Strukturwandel wie im Green Deal angekündigt, ist notwendig, um nicht weiterhin auf die Klimakatastrophe zuzusteuern. Wir werden unsere in den letzten Monaten gezeigten Fähigkeiten, umzudenken und unser Handeln zu verändern, benötigen. Ein einfaches zurück in die „Normalität“ kann es nicht geben.
Von Elisa Heinrich, Dipl. Politologin, Februar 2021
Schlagwörter: Moderne Welt