Wohlstand durch Entwicklungsbusiness?
Höchste Sicherheitsvorkehrungen, Protokollteams auf Hochtouren, hektisches Treiben, Fotoapparate im Anschlag … der UN-Generalsekretär António Guter-res, 46 Staats- und Regierungschefs, 200 Ministerin-nen und Minister sowie Business-Größen aus aller Welt sind zugegen.
Die Fünfte Konferenz der Vereinten Nationen über die am wenigsten entwickelten Länder (LDC5) wird eröffnet, mit Rabab Fatima im Chefinnensessel, als Generalsekretärin der Konferenz. Insgesamt 9.000 Personen aus Diplomatie, Politik, Zivilgesellschaft, Business und Medien fanden sich vom 4. bis 9. März 2023 in Doha, Katar, ein, um die Weichen bis 2030 zu stellen. Der Autor war als Teil des Organisationsteams (UN-OHRLLS) vor Ort.
Die Ärmsten dieser Welt
46 der insgesamt 193 UN-Mitgliedstaaten zählen aktuell zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC). Das Pro-Kopf-Einkommen, Kennzahlen im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie der Vulnerabilitätsgrad von Wirtschaft und Umwelt entscheiden u. a. darüber, wer zu den Ärmsten der Armen gehört. Menschengemachte Bürokratie versperrt vielen Binnenstaaten wichtige Handelswege über Nachbarstaaten. Aber auch Inselstaaten mit Meerzugang findet man in der Gruppe der ärmsten Länder. Den meisten fehlt es an ausreichender Infrastruktur für den weltweiten oder regionalen Handel.
Immerhin sind 16 Länder auf gutem Weg, heraus aus der LDC-Kategorie. Doch die Corona-Pandemie hat den Tourismus teilweise lahmgelegt. Eine wichtige Einnahmequelle für Entwicklungsländer versiegte über Nacht, eine entscheidende Antriebsfeder für den Weg aus der absoluten Armut war ausgehebelt. Der Neustart ist schwer. Derzeit treffen die aktuellen Preissteigerungen, mancherorts verbunden mit einer galoppierenden Inflation, die Ärmsten der Welt härter als das reiche Westeuropa. Dazu kommen noch die Auswirkungen des Klimawandels.
Auf der LDC5-Konferenz in Doha haben sich nun zahlreiche Entscheiderinnen und Entscheider auf eine neue Strategie bis 2030 eingeschworen – das Doha Programme of Action. Neben der diplomatischen Offensive lieferte die internationale Medienresonanz weiteren Rückenwind.
Von Potenzial zu Wohlstand
Das Motto der LDC5-Konferenz war zeitlos. Alle zehn Jahre findet das Großevent statt, dieses Jahr in der fünften Ausgabe. War die Entwicklungszusammenarbeit der letzten Jahrzehnte erfolgreich? Eine offene Frage. Ohne Zweifel braucht es mehr Erfolge und die Chancen stehen gut.
Was viele nicht wissen: Die am wenigsten entwickelten Länder genießen einen besonderen Status im internationalen Handel und sind für Unternehmen besonders attraktiv. Außerdem sind einige Investitionen, beispielsweise in Breit-band-Technologie, heute günstiger. Bisher abgehängte Länder werden flächendeckend an das „schnelle Internet“ angeschlossen.
Beginnt nach der Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit nun also die Ära des Entwicklungsbusiness? In entwickelten Ländern fehlt es an Arbeitskräften: Die Gebur-tenzahlen sind rückläufig, die Rentenwelle rollt! An verfügbare, digital versierte IT-Fachkräfte ist überhaupt nicht zu denken. Aber gerade die werden händeringend gesucht. Laut aktueller Statistik leben 90% der 10- bis 24-Jährigen weltweit in Entwicklungsländern. Aus Sicht der Unternehmen sind dies potenzielle Arbeitskräfte und Kunden zugleich.
Der Business-Gigant Microsoft war prominent auf der LDC5-Konferenz in Doha vertreten und hat die Weichen für ein breites, digitales Bildungsprogramm in vielen LDC gestellt. Wer für den Anschluss an schnelles Internet und Programmierer-Ausbildungen sorgt, kann neue Jobs für neue Fachkräfte in ihren Heimatländern schaffen. Weitere Unternehmen haben im Rahmen des Private Sector Forum ebenfalls weitreichende Investitionen vorgestellt.
Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung (BMZ) verkündete für 2023 sogar eine um 200 Millionen Euro höhere Unterstützung für Ent-wicklungsländer als noch im Vorjahr. Und auch das BMZ strich die Bedeutung des Privatsektors hervor: „Staatssekretär Flasbarth betonte in einem Redebeitrag, dass neun von zehn Arbeitsplätzen in Entwicklungs- und Schwellenländern im Privatsektor entstehen. Nötig sind daher verstärkt private Investitionen, gerade auch um den Aufbau einer an den Klimawandel angepassten Infrastruktur zu unterstützen.“
Die Herausforderungen in den am wenigsten entwickelten Ländern sind enorm, genauso wie der Fortschritt der digitalen Möglichkeiten.
Von Kolja Bienert, April 2023
Infos
Mehr Information über die LDC5-Konferenz der Vereinten Nationen unter https://www.un.org/ldc5 sowie #LDC5 und @UNOHRLLS bei Social Media.
Schlagwörter: Moderne Welt