Zauberhafte Weihnachtszeit
Weihnachtszeit, das war für uns Kinder die aufregendste Zeit im Jahr. Vier Wochen vor dem Fest durften wir samstags einen Schuh vor die Tür stellen und der Nikolaus steckte leckere Kekse und Schokolade für uns hinein. War man nicht ganz brav gewesen, konnte man am Sonntagmorgen auch schon mal Kartoffelschalen darin finden.
Das Wohnzimmer wurde zum Weihnachtszimmer und nur meine Mutter durfte es betreten, um dem Christkind beim Baumschmücken und Geschenkeverteilen zu helfen. Wir Kinder saßen auf der großen Treppe und starrten gebannt auf die verschlossene Türe, denn manchmal hörten wir ein leises Läuten und durch einen kleinen Türspalt winkte uns das Christkind mit einem weißen Tüchlein zu. Mit klopfendem Herzen huschten wir dann in unser Kinderzimmer, denn das Wissen, das Christkind in unserem Haus zu haben, war schon etwas ganz besonderes.
Schon Wochen vor Weihnachten zog der Duft von Plätzchen, mit Nelken gespickten Orangen, Zimt und Bratäpfeln durchs ganze Haus. Natürlich durfte auch der Stollen nicht fehlen. Der traditionelle Stollen wurde schon 1329 schriftlich erwähnt und bestand eigentlich nur aus Wasser ,Mehl und Hefe und angeblich sollte die Form des Gebäcks an das in Windeln gewickelte Jesuskind erinnern. Wir Kinder dachten bei dem inzwischen mit Rosinen, Mandeln, Zitronat und Orangat und viel Butter und Zucker gebackenen Kuchen: „einfach nur: lecker!“
Und endlich war das Christkind zur nächsten Familie unterwegs und wir durften das Weihnachtszimmer betreten. Andächtig standen wir vor der mit brennenden Kerzen erleuchteten Tanne, die bis an die Zimmerdecke reichte. An den grünen Zweigen glitzerten bunte Kugeln und silbernes Lametta und dazwischen gab es jede Menge weihnachtliche Figürchen. Es ging etwas Magisches von diesem mit viel Liebe geschmückten Baum aus. Wir sangen, vielleicht etwas falsch, aber aus ganzem Herzen, „Oh, Tannenbaum…“ Die immergrüne Tanne soll schon zu Zeiten der Germanen als Symbol steter Lebenskraft verwendet worden sein. In Deutschland gibt es einen Eintrag in der Bremer Zunftchronik aus dem Jahr 1570. Die städtischen Handwerker organisierten sich in Zünften und an Weihnachten stellte man im Zunftgebäude einen kleinen Tannenbaum auf, der mit Nüssen, Brezeln , Äpfeln und verschiedenen Süßigkeiten geschmückt wurde. Die Kinder der Zunftmeister durften sie dann vom Bäumchen abschütteln. Dieser lustige Brauch gelangte in die Familien und verbreitete sich im 18. Jahrhundert in ganz Deutschland, dann in ganz Europa und heute kennt man den Weihnachtsbaum weltweit.
Beim Singen von Weihnachtsliedern linsten wir natürlich schon mal zu den Gabentischen, auf denen die Geschenke lagen. Im Christentum war das Schenken zu Weihnachten eine Art Belohnung für das Einhalten der Fastenzeit im Advent und wurde mit Martin Luther und dem Protestantismus eingeführt. Das berührte uns Kinder natürlich wenig, wir hatten einen Wunschzettel geschrieben und hofften nun inbrünstig, dass das Christkind ihn auch wirklich gelesen hatte. Das irdische „Christkind“ hatte sicher so seine Schwierigkeiten, Wünsche zu erfüllen, wenn da ein „Negestchen“ auf dem Zettel stand. Aber dann stand da doch das erbetene Nähkästchen auf dem Gabentisch. Auch der Wunschzettel hat schon eine lange Tradition, aber ganz früher erwarteten die Eltern eher einen Weihnachtsbrief, in dem die Kinder sich für die gute Erziehung bedankten und in schönster verschnörkelter Schrift versprachen, auch weiterhin brav zu sein. Erst mit dem Aufkommen der Spielzeugindustrie begannen die Zettel mit ganz konkreten Wünschen.
Die Kerzen am Weihnachtsbaum beleuchteten noch einige Zeit unsere glücklichen Gesichter, dann löschte Vater die Kerzen, um ganz sicher einen Zimmerbrand zu vermeiden. Wir spielten mit unseren Geschenken (das Christkind hatte ganz offensichtlich unsere Wunschzettel gelesen), naschten Kekse und Leckereien vom bunten Teller, und ich freute mich über ein großes Stück Schweizer Käse. Den hatte ich mir nämlich auch noch vom Christkind gewünscht.
Das wundervolle und magische an Weihnachten hat Tradition und wird hoffentlich noch lange von Generation zu Generation weitergegeben.
Von Dixi Greiner, Dezember 2022
Schlagwörter: Kultur, Traditionen