Der „alte“ Bahnhof MAGORIA
Ein Turm wie das gedrungene Minarett einer arabischen Moschee schaut majestätisch auf den regen Verkehr von Autos, Bussen und Motorrädern herab, der auf der Gran Via de les Corts Catalanes – Nr. 247 vorbeirauscht. Dieser Turm mit einem spitzen Helm aus rot-blau-lasierten arabischen Dachziegeln krönt das ehemalige Bahnhofsgebäude Magòria und bildet mit seinem verzierten Mauerwerk einen rechten Winkel zur Carrer Moianès im Stadtviertel Bordeta/Hostafrancs.
Ein ehemals an der Fabrik Can Batlló vorbeifließender Sturzbach namens Magòria endete damals an diesem Punkt. Die Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España baute hier 1912 die Eisenbahnlinie von Barcelona nach Martorell (Baix Llobregat). Heute verläuft die Verbindung unterirdisch –Station La Campana – und wird betrieben für den Personennahverkehr vom katalanischen Schienennetz Ferrocarrils de la Generalitat de Catalunya FGC.
Das hellgraue Mauerwerk der Haupt- und Seitenfassade des früheren Bahnhofsgebäudes ist dekoriert mit asymmetrisch verteilten Stuckelementen und Quadern aus Ziegelstein. Beide Fassaden sind mit rotem Backstein eingefasst, und ein angesetztes schmiedeeisernes Glasdach bildet den Unterstand zum früheren äußeren Wartebereich. Die inneren Räumlichkeiten sind ebenso noch erhalten.
Der Baustil dieses auffallend schönen Gebäudes wird vielfach als modernistisch betrachtet. Eher jedoch ist das Bauwerk im Neomudejar-Stil konzipiert, in welchem Ende des 19. Jahrhundert vielerorts – vor allem in Zentralspanien – parallel zum katalanischen Modernismus gebaut wurde. Typisch für den neo-maurischen Baustil ist die Verwendung von Ziegelstein, kombiniert mit Felsstein, Stuckelementen, Holz und Keramik.
Josep Domènech i Estepà
Das Projekt für das Bahnhofsgebäude besagter Bahnlinie Barcelona-Martorell wurde vom Architekten Josep Domènech i Estepà (1858 – 1917) ausgeführt und am 29. Dezember 1912 eingeweiht. Josep Domènech i Estepà verdient insofern eine besondere Beachtung, als er seinen berühmtesten Kollegen des katalanischen Modernismus Barcelonas Antoni Gaudí, Lluis Domènech i Montaner, Josep Puig i Cadafalch, Josep Maria Jujol und anderen seinen persönlichen, vom Eklektizismus und Modernismus abweichenden Architekturstil entgegensetzte. Zu seinen bedeutendsten architektonischen Werken zählt u.a. das heutige Teatro Poliorama (1883), der Palau de la Justicia (1887-1908), der Palau Ramon, das Gefängnis La Modelo (1904), das Observatorio Fabra (1904) und das Asyl für Blinde Santa Llúcia (1904-1909) – das spätere Museu de la Ciencia und aktuelle CosmoCaixa. Domènech i Estepà war Mitglied und Vorsitzender (1914) bei der Real Academia de Ciencias y Artes de Barcelona und starb 1917 in Cabrera de Mar.
Centre Civic Magòria
Die Entwicklung des Bahnhofs Magòria bis zum aktuellen Centre Civic, das 2006 durch den Sozialdienst der Generalitat de Catalunya ins Leben gerufen wurde, ist sehr abwechslungsreich: Zur Weltausstellung 1929 in Barcelona sollte Magòria durch die zentrale und unterirdisch angelegte – Station Plaza España, dem Tor zur Weltausstellung, ersetzt werden (seit 1926 in Betrieb, aktuell Metro L1). Somit wurde der Personenverkehr von der neuen Linie gewährleistet. Magòria diente nunmehr als Güterbahnverbindung zum Hafen Barcelonas bis nach der Schließung von Can Batlló 1964 auch der Gütertransport in Magòria 1974 eingestellt wurde.
Laut dem Plan General Metropolitano von 1976 sollte das Bahnhofsgebiet in Grünzone und diverse Sportanlagen umgewandelt werden. Seit 1978 ist die Generalitat de Catalunya Eigentümerin des ehemaligen Bahnhofs Magòria.
Zunächst wurden 1984 die mit Erde zugeschütteten Gleise und Ladestellen des Geländes von der Unió Esportiva Sants als Fußballplatz benutzt. Die Dirección General del Deporte de la Generalitat de Catalunya investierte damals 52 Mio. Pesetas. An manchen Sonntagen werden auf dem verkleinerten Fußballfeld Bowling-Veranstaltungen durchgeführt. Auf dem weitläufigen Areal eröffnete 1998 das Ärztezentrum – CAP (Centro de Atención Primaria) Bordeta-Magòria – seine Türen und ist seitdem beträchtlich erweitert und modernisiert worden.
Aktuell bietet das Gemeindezentrum Magòria zahlreiche Kurse und Aktivitäten an. Der Garten des emblematischen Bahnhofsgebäudes – nur eine Ecke von der turbulenten Gran Vía entfernt – ist eine erholsame grüne Oase inmitten der Großstadt Barcelona. Hier finden hin und wieder Konzerte statt. Noch immer ist die Atmosphäre des ehemaligen Personen- und Gütertransportbetriebs spürbar und liegt praktisch in der Luft. Ein kurzer – garantiert bereichernder – Besuch dieses historischen Gebäudes an der Gran Vía wäre in den nächsten Wochen unbedingt angesagt.
Von Evelyn Patz, Mai 2022
Infos
Öffnungszeiten: montags bis freitags 10-21 Uhr.
Quellen: https://www.barcelona.cat; El Periódico (24.12.2014
Schlagwörter: Geschichte, Sehenswert