Goldenes Zeitalter in Spanien, 2. Teil, El Greco
Goldenes Zeitalter in Spanien, 2. Teil
Das Goldene Zeitalter in der Kunst in Spanien umfasst das 17. und 18. Jahrhundert. Die Kunstgeschichte lässt diese Zeit mit El Greco beginnen und beendet sie mit Goya. Bei einer genaueren Betrachtung der Kunst El Grecos und deren Auswirkung auf seine Zeitgenossen kann seine Vorbildfunktion angezweifelt werden. Seine herausragende Kunst, sein außergewöhnliches Talent und seine bahnbrechenden Neuerungen sind außer Zweifel, aber seine Rolle für die Barockmalerei in Spanien ist wohl nicht so ausschlaggebend, wie sie dies für spätere Kunstepochen ist.
Das Leben von El Greco kann man in drei Abschnitte einteilen. Geboren wurde er 1541 als Domenikus Theotokopoulos in Candia auf Kreta, das damals zum Herrschergebiet von Venedig gehörte. Auf Kreta wurde er als Ikonenmaler ganz in der Tradition der spätbyzantinischen, flächenhaften und symbolträchtigen Malweise ausgebildet. 1567 zog er nach Venedig. Dort änderte sich sein Stil grundlegend. Er arbeitete jetzt in der Tradition der großen venezianischen Künstler wie Tizian, Tintoretto und Veronese und adaptiert deren der Renaissance zugehörige Stilmerkmale, wie die Anwendung der Perspektive, eine lebhafte Erzählweise und eine nuancierte Farbigkeit.
1570 ging El Greco nach Rom, wo er die Erlaubnis erhielt am Palast des Kardinal Farnese zu arbeiten. El Greco wollte in Rom bleiben, aber sein übergroßes Ego und seine wenig ausgeprägte Bescheidenheit wurden ihm wohl zum Verhängnis. Die Quellenlage zu seinen Jahren auf Kreta und in Italien ist sehr dünn, deshalb kann nur spekuliert werden, was zu dem Zerwürfnis mit Rom geführt hat. Sicher ist, dass sich El Greco negativ über die Kunst des bereits 1564 verstorbenen Künstlergenies Michelangelo geäußert hatte. Ob sein Vorschlag, die Fresken Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle zu übermalen, das Fass zum Überlaufen gebracht hat, ist nicht belegt. 1577 zog El Greco also nicht ganz unfreiwillig zunächst nach Madrid an den Hof Philipps II., wo er aber auch nicht bleiben konnte, um dann endgültig nach Toledo zu gehen. Hier entwickelte sich sein unverkennbarer Stil, der ihm viele Jahre später Weltruhm brachte.
In Spanien wurde er bis Anfang des 20. Jahrhunderts als Grieche gesehen, also als Außenseiter, und sicher nicht als Begründer des ‚Goldenen Zeitalters’ anerkannt. Die Quellenlage zum Werk und Leben El Grecos ist ab 1577 bis zu seinem Tod relativ gut. Die große El Greco-Retrospektive 2014 in Toledo verdeutlichte den hohen Stellenwert seiner Kunst und war ein guter Anlass, gerade seine Jahre in Toledo neu zu bewerten. Seine Hauptwerke, wie „Das Martyrium des Heiligen Mauritius“ oder „Das Begräbnis des Grafen Orgaz“, sind gut dokumentiert. Sie zeigen aber immer wieder einen Mann, der scheinbar vollkommen überzogene Preisvorstellungen hatte. Alte Aufzeichnungen übermitteln das Bild eines im Luxus über seine materiellen Verhältnisse lebenden Mannes, der Kontakte mied, mit seinem in Toledo geborenen Sohn, einigen griechischen Bürgern und wenigen sorgfältig ausgesuchten Freunden lebte, die ihm das Netzwerk für seine Kunst aufbauten. Er war ein Exzentriker, der intellektuell gebildet und von seinem großen künstlerischen Talent überzeugt war. Wodurch aber zeichnet sich seine künstlerische Begabung aus, was unterscheidet ihn von seinen Künstlerkollegen?
Ein Schlüssel ist seine Herkunft und seine erste Ausbildung in der Tradition der spätbyzantinischen Meister. Später kommen seine Auseinandersetzung mit der italienischen Renaissance und sein engagiertes privates Studium der humanistischen Ideen und der antiken Philosophie hinzu. El Grecos Kunst steht an der Schwelle der Renaissance zum Barock. Eine Epoche, die als Manierismus in die Kunstgeschichte eingegangen ist und deren Stilmerkmale unter anderem in die Länge gezogene Gliedmaßen und eine von den reinen Grundfarben abweichende Farbigkeit ist. El Greco wird in seiner Zeit in Toledo zum Hauptvertreter dieser Kunstrichtung. Er haucht durch seine Farbigkeit, Licht und Schatten Leben in sein Werk. Er versteht es wie kaum ein anderer Künstler, nicht nur die äußere Welt darzustellen, sondern seinen Figuren eine Seele zu geben. Seinen Zeitgenossen war er fremd. Er hat nicht, wie damals üblich, mit lebenden Modellen gearbeitet, sondern formte seine Figuren aus Gips oder Ton, um sie beliebig in die Länge zu ziehen, oder perspektivisch zu verformen. Nicht nur seine figürlichen Darstellungen zählen zu den Meisterwerken der Kunstgeschichte, sondern auch seine Landschaftsdarstel-lungen. Seine 1597-1600 entstandene „Ansicht von Toledo“ ist ein zeitloses Meisterwerk.
El Greco, dessen Kunst lange in Vergessenheit geraten war, wurde ab 1900 von den Künstlern der Moderne wiederentdeckt. Durch Picasso wurde er zum großen Maler der Spanier, der die Seele seiner Figuren malen konnte. Franz Marc feierte seine Kunst als Sinnbild der Ablehnung der materiellen Kultur der Moderne. Die Expressionisten sahen ihn als Vorreiter ihrer ausdrucksstarken, von persönlichen Gefühlen geprägten Darstellungsweise. Ob er der Begründer des ,Goldenen Zeitalters’ in Spanien war, kann diskutiert werden. Sicher ist aber, dass El Greco ohne sein Leben und Wirken in Toledo nicht zu dem Künstler geworden wäre, der die Moderne entscheidend beeinflusst hat.
Von Gabriele Jahreiß. Kunsthistorikerin, Februar 2021
Teil 1: Golden Zeit trotz not und Elend
Schlagwörter: Kultur