Goldene Zeit trotz Not und Elend
Die ‚Goldene Zeit’ – das ‚Siglo de Oro’ bezeichnet die Höhepunkte der spanischen Barockmalerei. In diesem Artikel werden die Hauptvertreter dieser Periode besprochen. In einem zweiten Teil werden die Vorläufer und Nachfolger, also in erster Linie El Greco und Goya gegenübergestellt. Ein dritter Teil untersucht die Rolle der Frauen auf die Kunst jener Zeit.
Wie kam es zu dieser Bezeichnung ‚Goldene Zeit’ und wie konnten Künstler so einzigartige Werke schaffen, da das Leben in Spanien zu jener Zeit sicher nicht ‚golden’ war, vielmehr war es für den größten Teil der Bevölkerung von Angst, Not und Entbehrung gekennzeichnet. Historisch ist diese Zeit eng mit den drei Philipps verbunden. Zuerst war es König Philipp II, der von 1556-1598 regierte. Unter ihm erlangte Spanien 1580 den Höhepunkt seiner kolonialen Ausdehnung. Philipp II herrschte über ein riesiges Weltreich. Von 1563-1584 ließ er den Escorial erbauen. Aber schon 1566 begann der Niedergang Spaniens, auch mit der Abspaltung der unter spanischer Herrschaft stehenden sieben flämischen Nordprovinzen und der Vernichtung der spanischen Armada durch die Engländer. Mit Philipp III, der von 1598-1621 regierte, hatte Spanien nach Außen eine relativ ruhige Zeit, aber das Leben im Land war durch Missernten, Geldentwertung und der endgültigen Vertreibung der Mauren im Jahr 1609 geprägt, was eine Entvölkerung ganzer Landstriche, Not und Elend nach sich zog. Auf Philipp III folgte Philipp IV, der in seiner Regierungszeit von 1621-1665 zum kunstsinnigsten König in der Geschichte Spaniens wurde. Seine Politik war weniger erfolgreich. Unter anderem erlangte 1640 Portugal die Unabhängigkeit von Spanien und 1659 gingen Gebiete an Frankreich verloren. Dies führte immer wieder zu Staatsbankrotten und Verelendung weiter Bevölkerungsschichten.
Die Geschichte Spaniens wäre im 17. Jahrhundert, ohne die herausragenden Kunstwerke, dunkler und pessimistischer. Trotz des nahenden Endes des spanischen Weltreichs und großen Entbehrungen in der Bevölkerung, hat sich bei uns der Begriff ‚Goldene Zeit’ für diese Epoche in Spanien eingeprägt. Kunst ist ein wichtiger Teil der Geschichte, nicht immer im Einklang mit ihr was aber nicht von Nachteil sein muss.Die Malerei wurde zu jener Zeit in erster Linie von der Kirche bestimmt, die Geschmack und Themen vorgab. Aus Angst vor der allmächtigen Inquisition gab es fast ausschließlich religiöse Bildthemen. Das Bürgertum spielte als Auftraggeber kaum eine Rolle und die Künstler lebten als einfache Handwerker oft in größter Armut. Dies alles sind nicht gerade ideale Voraussetzungen für die Schaffung künstlerischer Meisterwerke. Die Barockmalerei kam aus Italien, von Neapel nach Valencia. Neapel war damals unter spanischer Herrschaft. Der Maler Francisco Ribalta (1565-1628) kam dort mit der Kunst Caravaggios in Kontakt und brachte dessen dramatischen und bewegten hell/dunkel Gestaltungsprinzipien mit nach Valencia, wo er seine Kunstfertigkeit an seinen Schüler Jusepe Ribera (1591-1652) weiter gab. Das erste Zentrum der spanischen Barockmalerei wurde aber Sevilla. Sevilla erlangte als Umschlageplatz des Überseehandels weltpolitische Bedeutung. Der prägende Maler in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts in Sevilla war Francisco de Zurbaran (1598-1664). Er war ein glühender Verfechter der Gegenreformation und stand im Dienst der strengen Orden. Bekannt sind seine Heiligendarstellungen, die im dramatischen Licht gemalt wurden und einfache Arrangements besitzen.
Der berühmteste Maler Sevillas war aber Bartolome Esteban Murillo (1617-1682), der nach dem Vorbild Raffaels, weniger harte Kontrast einsetzte und mit dem „Estilo vaporoso“, einem duftigen, leicht gepuderten Stil Berühmtheit erlangte. Seine Madonnenbilder entsprachen dem damaligen Schönheitsideal und seine Genrebilder waren sehr populär. 1660 gründete er die erste Kunstakademie in Sevilla, dessen erster Präsident er wurde. Die Malschulen von Toledo und Madrid erlangten, im Gegensatz zu jener in Sevilla, nur lokale Bedeutung. Und doch wurde die Barockmalerei in Madrid weltberühmt, was aber alleine Diego Velazquez (1599-1660) zu verdanken ist. Er erhielt seine Ausbildung bei seinem späteren Schwiegervater Francisco Pacheco, der durch sein Traktat ‚El arte de la pintura’ der wichtigste Kunsttheoretiker Spaniens war. 1623 wurde Velazquez an den Hof Philipp IV nach Madrid berufen, wo seine steile Karriere begann. Als Hofmaler, mit Kontakten zu den höchsten Adelskreisen, war er von der Kirche als Auftraggeber weitgehend unabhängig. 1628 traf er Rubens in Madrid. 1629 reiste er nach Neapel und von 1649-1651 war er in Rom und Venedig. Seine zunächst im Stil des internationalen Caravaggismus gehaltenen Bilder änderten sich zusehends unter dem Einfluss von Rubens und seiner Italienreisen. Sein Stil wurde aufgelockerter und atmosphärischer. Seine scharfe Beobachtungsgabe und sein lebensnaher Realismus ließen ihn zum bevorzugten Porträtmaler werden. Kein Königshaus der Welt bekam je eine derart herausragende Porträtgalerie wie die Philipps IV von Velazquez geschaffen.
Von Gabriele Jahreiß, Kunsthistorikerin, Oktober 2020
Der 2. Teil in der TaschenSpiegel Ausgabe 144: El Greco
Schlagwörter: Geschichte, Kultur, Museen und Sehenswürdigkeiten