Alle reden, keiner tut etwas
Cato Bontjes van Beek – stille Heldin im Widerstand
Meine liebe, liebe Mama, ich habe geglaubt, ich könnte Dir diesen Brief als Geburtstagsbrief schreiben und nun wird es der allerletzte an Dich sein. Mama, es ist nun soweit und ich werde nur noch ein paar Stunden unter den Lebenden sein. Mama, dass ich es Dir nicht selbst sagen kann und Du nicht bei mir bist, das ist hart. Aber ich bin sehr gefasst und habe mich völlig mit dem Schicksal ausgesöhnt.
Mit diesen Worten beginnt der Abschiedsbrief, den die 22-jährige Cato Bontjes van Beek am Nachmittag des 5. August 1943 an ihre Mutter schrieb. Aus dem Strafgefängnis Berlin-Plötzensee, in das sie erst am Vormittag verlegt worden war. Wenige Stunden später wurde sie dort – wie in ihrem Brief angekündigt – hingerichtet. Um genau 19.42 Uhr starb sie unter dem Fallbeil. Ihr Vergehen: Wie Sophie und Hans Scholl hatte Cato Bontjes van Beek mit Flugblättern zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten aufgerufen.
Aufgewachsen war die 1920 geborene Cato in einer Künstlerfamilie im beschaulichen Ort Fischerhude östlich von Bremen. Ihr Vater Jan betätigte sich als Keramiker, ihre Mutter Olga, die früher als Ausdruckstänzerin aufgetreten war, als Malerin. Sie verlebte eine glückliche Kindheit mit ihren zwei jüngeren Geschwistern Mietje und Tim. Der berühmte Landschaftsmaler Otto Modersohn war ihr Onkel.
Von 1929 bis 1933 besuchte Cato Bontjes van Beek die Deutsche Schule in Amsterdam in den Niederlanden. Später ging sie für 8 Monate als Aupair nach Großbritannien, um ihr Englisch zu vervollständigen. Außerdem wurde sie eine leidenschaftliche Segelfliegerin. Nach einer kaufmännischen Ausbildung arbeitete sie dann als Keramikerin in der Werkstatt ihres Vaters in Berlin.
Bei ihrem Vater lernte Cato auch im September 1941 Libertas und Harro Schulze-Boysen kennen. Durch sie kam sie in Kontakt mit der Roten Kapelle, deren führender Kopf Schulz-Boysen war. Die Mitglieder der Roten Kapelle halfen bereits seit 1933 Verfolgten, sammelten später auch Informationen über nationalsozialistische Verbrechen, verbreiteten Flugschriften und suchten Kontakt zu anderen oppositionellen Kreisen. In der Widerstandsgruppe traf Cato auf Menschen, die nicht nur über das verbrecherische System redeten, sondern dagegen vorgingen. Zusammen mit ihrem Freund, dem Lyriker Heinz Strelow, verteilte sie Schriften und Flugblätter, die zum Widerstand aufriefen.
Schließlich war es ein von der Gestapo entschlüsselter Funkspruch aus Moskau, der die Köpfe der Roten Kapelle enttarnte. Im Spätsommer 1942 rollte eine Verhaftungswelle an, die immer mehr Mitglieder der Gruppe erfasste. Am 20. September wurden Cato und ihr Vater in der Berliner Wohnung festgenommen. Während ihr Vater kurz vor Weihnachten wieder frei kam und an die Ostfront geschickt wurde, musste Cato im Polizeigefängnis am Alexanderplatz auf ihren Prozess warten. Auch wenn für Cato unklar war, wie das Urteil ausfallen würde, rechnete sie höchstens mit einer mehrjährigen Haftstrafe.
Sie verlor diese Zuversicht allerdings, als Harro und Libertas Schulze-Boysen und sieben weitere Angehörige der Widerstandsgruppe am 22. Dezember 1942 hingerichtet wurden. Trotz mehrerer Gnadengesuche von Seiten der Familie und Bekannten, der Frauenseglergruppe und sogar von der BDM-Führerin in Fischerhude wurde sie am 18. Januar 1943 wegen Feindbegünstigung und Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats zum Tode verurteilt. Sogar Hermann Göring hatte sich persönlich für die Umwandlung ihrer Todesstrafe in eine Haftstrafe eingesetzt.
Trotz aller Bemühungen wurde Cato Bontjes van Beek am 5. August 1943 in Plötzensee auf direkten Befehl Adolf Hitlers mit 13 anderen Frauen und zwei Männern im 3-Minuten-Takt durch das Fallbeil ermordet. Ihr Freund Heinz Strelow wurde bereits am 13. Mai 1943 hingerichtet. Adolf Hitler führte einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen die Rote Kapelle. Fast die Hälfte ihrer mehr als 150 Mitglieder wurden auf seinen Befehl hin ermordet.
Eine Stolperstein vor dem Haus, Kaiserdamm 22 in Berlin-Charlottenburg, in dem Cato bei ihrem Vater lebte, erinnert an diese junge tapfere Frau, die im Geg
ensatz zu den Geschwistern Scholl einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt ist.
Ihre Mutter prozessierte zwölf Jahre lang gegen das Land Niedersachsen, und erst 1999 erfolgte die juristische Rehabilitierung.
Am 14. November 2020 wäre Cato Bontjes van Beek 100 Jahre alt geworden.
Von Gaby Götting, November 2020
Schlagwörter: Europa, Geschichte