Goya – Genialität und grausame Realität
Goldene Zeit in Spanien, 3. Teil
Francisco José de Goya y Lucientes (1746 Fuendetodos – 1828 Bordeaux) hatte ein langes Künstlerleben, das heute noch immer große Rätsel aufgibt. Er ist der Maler, der wie kein Anderer die menschlichen Grausamkeiten und Abgründe visualisierte, aber auch die daraus resultierende Not, Leid und Qual darstellen konnte. Große Teile seines Werkes führen uns vor Augen, was Kriege mit und aus den Menschen machen. Goyas Karriere begann aber nicht als Chronist des Grauens, sondern hatte in seinen Anfängen eine heitere und unbeschwerte Note. Wie kam es also zu dieser radikalen Hinwendung zur Darstellung schwer aushaltbarer menschlicher Albträume?
Goya, der aus einem einsamen Bergdorf in Aragón stammte, war ehrgeizig und talentiert und ging mit 17 Jahren nach Madrid. Der Stil seiner frühen Arbeiten ist hell und freundlich. Doch diese Darstellungen des Lebens als galantes Spiel waren für Goya bald nicht mehr befriedigend. Er wandte sich hin zu einer realistischen Darstellungsweise, mit der er den Nerv der Zeit traf. Auch in Spanien war langsam der Geist der Aufklärung angekommen. Er wurde schnell berühmt und seine nichts beschönigenden, oft impressionistischen, auf das Wesentliche reduzierten Darstellungen waren gefragt.
Er malte keine Repräsentationsbilder, sondern die Menschen hinter ihren Titeln und Würden. Das Gemälde Karls IV. und seiner Familie von 1800/1801 ist in seiner schonungslosen Hässlichkeit und Realistik bahnbrechend. Goya war der Menschenbeobachter, der mit wenigen Pinselstrichen die Seelenlage seiner Modelle auf die Leinwand bringen konnte. Goya, der temperamentvoll und kraftstrotzend war, wurde durch eine schwere Krankheit im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bahn geworfen. Bei einem Aufenthalt 1792 in Cádiz erlitt er einen Schlaganfall, der ihn in völliger Taubheit zurückließ. Er hörte nichts mehr, sah aber umso schärfer. Er widmete sich nun vermehrt dem druckgraphischen Werk. 1799 vollendete er die Caprichos, eine Serie von 80 allegorischen Darstellungen, die von einer Welt voller Hexen, Geister und Fabelwesen bevölkert sind, die den Menschen in ihren Albträumen erscheinen und diese auf ihre Unzulänglichkeiten verweisen.
Goya war historisch und politisch interessiert, er lebte in einer äußerst turbulenten Zeit. 1789 war das Ende der französischen Monarchie. Karl IV. verweigerte seinem Cousin Ludwig XVI. die angeforderte Hilfe, was 1793 zu einer Kriegserklärung Frankreichs an Spanien führte. 1808 musste Karl IV. abdanken, und Napoleon errichte in Spanien eine Schreckensherrschaft, die erst 1814 mit seinem Fall endete. Goya verarbeitete die Schrecken des Krieges in einer weiteren Serie von Druckgraphiken. Die Desastres de la guerra zeigen in schonungsloser Realistik die Bestialität des Krieges, das sinnlose und grausame Morden und das unsägliche Leid. Das Gemälde Die Erschießung der Freiheitskämpfer von 1814 wird zum Vorbild aller späteren Revolutionsdarstellungen. Mit der Thronbesteigung Ferdinands VII. im Jahre 1813, der mit absolutistischer Hand regierte und die Inquisition wieder einführte, kam es erneut zu Schrecken in der Bevölkerung. Goya verarbeitete diese in 22 weiteren Blättern, den Disparates. Sie stellen die Hoffnungslosigkeit und die unterbewussten Ängste der Menschen dar und wurden dadurch zum Vorläufer des Expressionismus und Surrealismus.
1819 zog sich Goya desillusioniert und verzweifelt aufs Land zurück. In seinem Landhaus, der Quinta del Sordo, dem „Landhaus des Tauben“, entstanden die Pinturas Negras, 14 Wandgemälde, die an Düsternis und Depression kaum zu überbieten sind und immer noch Rätsel aufgeben. 1824 verließ Goya Spanien und blieb bis zu seinem Tod in der Emigration in Frankreich.
Goyas Kunst und seine Genialität in der Darstellung hängen sicher eng mit seiner Taubheit und der grausamen Realität, in der er lebte, zusammen. Goya war leidenschaftlich und zugleich tragisch. Um eine angebliche Affäre zu der Herzogin von Alba gibt es viele Mythen. Erhalten sind herausragende Porträts von ihr. Ob die Herzogin auch das Modell für die Darstellungen der ‚Nackten Maja’ (1795-1800) und der ‚Bekleideten Maja’ (1800-1807) war, die zu den Höhepunkten der spanischen Malerei gehören, ist noch nicht endgültig geklärt. Sicher ist aber, dass Goya einen festen Platz neben El Greco, Velazquez und Picasso im Olymp der spanischen Kunst hat.
Von Gabriele Jahreiß. Kunsthistorikerin
Schlagwörter: Europa, Kultur