Neue deutschsprachige Pop-Musik
Lang lebe die Störung im Betriebsablauf
Manchmal ist es doch gut, wenn man Kinder und Freunde hat, die einem Musiktipps geben können. Daher schreibe ich hier auch nicht über „Neue“ Mu-sik, sondern über neue deutsche und deutschsprachige Musik, die ungefähr in den letzten 10 Jahren entstanden ist und die zeigt, dass in der deutschen Musikszene etwas los ist. Interessanterweise haben viele von den Gruppen, die ich erwähnen werde, auf der Straße angefangen und auch ein zweites Element ist stark vertreten, nämlich die Bläser.
Es fing an mit „Käptn Peng“, Alias des Schauspielers und Mu-sikers Robert Gwisdek. Genauer gesagt „Käptn Peng und die Tentakel von Delphi“. Meine Tochter schickte mir den Link zu dem Song „Sockosophie“ und meinte, „wenn dir das gefällt, wird dir alles von ihm gefallen.“ Und es hat mir sozusagen gleich den Kopf weggeschossen, Peng. Robert Gwisdek verwandelt Philosophie in Rap-Texte, und dazu noch mit ziemlich viel Humor. Beispiel: „Denn im Formulieren des Problems ist die Lösung schon enthalten“ aus dem Song „Meister und Idiot“. Thomas Glavinic hat es im Roman „Das größere Wunder“ auf andere Art formuliert: „Antworten werden überbewertet“. Die korrekte Fragestellung ist das Wichtige. Danach überlasse deinem Computer, auch Hirn genannt, die Antwor-ten. Mit genügend Ruhe und Meditation wird dein Hirn die Lösung schon finden. Oder auch nicht. Und auch das ist OK.
Weiter ging es mit „Meute“, eine elfköpfige Techno-Marching-Band aus Hamburg. Tip von einem Freund. Ja, so kann man Blasmusik also auch gestalten. „Meute“ nimmt meistens Songs von bekannten Künstlern, meist aus dem Umfeld elektronischer Musik, und macht daraus Bläserarran-gements. Und die haben‘s in sich. Mit dieser Mischung haben sie weltweiten Erfolg und tourten schon durch Europa, Ame-rika, Afrika und gerade Australien. Auf Youtube findet man jede Menge Clips von Ihnen, u.a. auf dem Dach der Hambur-ger Elbphilharmonie.
Naja, und wenn man dann diese Kombinationen auf Spotify eingibt, hilft einem der Algorithmus auch andere Bands zu finden, und so stieß ich als Erstes auf „Von wegen Lisbeth“, eine Band, die 2006 im Beethoven-Gymnasium in Berlin-Lankwitz gegründet wurde. Schule ist also doch zu irgendet-was nütze. Von ihnen habe ich den schönen Titel dieses Arti-kels geklaut. Auch „Von wegen Lisbeth“ steckt Philosophie und intelligente Texte, die von Max Goldt stammen könnten, in ihre kleinen, lustigen Popmusik-Perlen. Allerdings handelt es sich hier mehr um Alltagsphilosophie. Ein Beispiel: „Als dein iPhone so grazil / in den Landwehrkanal fiel, / wusste ich, schöner wird es nie.“
Und von hier war es nicht weit zu „Moop Mama“, auch eine Straßenband, die es auf die Bühne geschafft hat, indem sie eine „Urban-Brass-Band“ durch einen Rapper verstärkte. Und auch hier sind es wieder die lustig verschmitzten Texte, die Spaß machen, zusammen mit der Musik natürlich. Zum Beispiel im Song „Liebe“, wo auf amüsante Art und Weise über die erwachenden Frühlingsgefühle gerappt wird. Also genau passend für diese Jahreszeit. Hört rein, wenn sie singen: „Da wird mir klar, meine Liebe ist doch unbegrenzt. Wie faszinierend dieses Kunstwerk Mensch!“
Von Sascha Siebenmorgen, April 2023
Schlagwörter: Moderne Welt, Musik