Was sind schon 170 Jahre?
Aktuelle Trends in OECD-Studie zur Gleichstellung von Männern und Frauen in Deutschland und Spanien
Dass die Gleichstellung von Mann und Frau noch etwas Zeit brauchen wird, ist nicht neu. Dass es bis dahin – nach dem im Oktober 2016 veröffentlichten Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums – bei gleichbleibender Entwicklung noch 170 Jahre dauern wird, schon eher. In diesem Bericht werden regelmäßig die Entwicklung der Gleichstellung im Hinblick auf die Faktoren Bildung, Gesundheit und Lebenserwartung, wirtschaftliche Chancen und politische Beteiligung bei Männern und Frauen weltweit untersucht.
Zum Zeitvertreib können wir uns die neuen Zahlen der aktuellen OECD-Studie von Mitte Februar angucken, die Anlass zu verhaltener Hoffnung geben. Deutschland galt in puncto Gleichstellung lange als rückständig, insbesondere in der Förderung gleicher Teilhabe am Arbeitsmarkt und egalitärer Aufteilung der partnerschaftlichen Verpflichtungen. Anlass der Studie waren nun eine merkbare Änderung der Einstellung der deutschen Bevölkerung in den letzten 15 Jahren, was die Organisation von Familie und Beruf anbelangt, und erste positive Ergebnisse der Reformen der letzten zehn Jahre zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf (insbesondere Elterngeld und Investitionen in die frühkindliche Erziehung). Dies wurde aus internationaler Perspektive untersucht, um Lehren aus den deutschen Erfahrungen zu ziehen.
Positiv lässt sich aus der Studie die Einstellungsänderung in Deutschland festhalten. So habe sich der Anteil der Bevölkerung in Deutschland, der der Ansicht ist, Mütter mit Kindern im Vorschulalter sollten nicht arbeiten, bis 2012 innerhalb von 10 Jahren halbiert (von 46,6 auf 21,8%). Diese Entwicklung sei im OECD-Kontext zwar nicht gerade fortschrittlich, aber zu begrüßen. Auch ist Deutschland inzwischen – nach Schweden – das Land, in dem die Einstellung der Bevölkerung zur Aufteilung der Elternzeit am egalitärsten ist. Anders in Spanien, wo ein Drittel der Bevölkerung der Ansicht ist, die Mutter solle den ganzen bezahlten Erziehungsurlaub nehmen.
Aber Einstellung und Realität decken sich bekanntlich nicht immer. So bleibe Deutschland geprägt vom männlichen Allein- bzw. Hauptverdienermodell. Mütter seien zwar in den letzten Jahren konstant häufiger erwerbstätig geworden. Die Erwerbstätigenquote ist in den letzten 15 Jahren um 11% gestiegen und liegt nun bei 70%; der höchste Anteil in den OECD-Ländern nach den nordischen Ländern und der Schweiz. In der Regel werde die Erwerbstätigkeit jedoch in Teilzeit ausgeübt, aktuell von mehr als der Hälfte der Frauen; dies werde nur noch von den Niederlanden mit 70% Teilzeit getoppt. Zudem erledigten Frauen weiterhin den Großteil der unbezahlten Arbeit im Haushalt. Dabei fast schon ironisch: laut der Studie arbeiten in nahezu allen OECD-Ländern Männer tatsächlich weniger als Frauen, wenn die insgesamt auf bezahlte und unbezahlte Arbeit (Haushalt und Kindererziehung) verwendete Zeit addiert wird.
In Spanien liegt die Erwerbstätigenquote von Müttern mit nur 58% zwar niedriger, davon arbeitet jedoch nur ein Drittel in Teilzeit.
Schließlich tragen in keinem anderen OECD-Land Frauen relativ so wenig zum Haushaltseinkommen bei, wie in Deutschland mit weniger als einem Viertel. In Spanien liegt der weibliche Anteil immerhin bei einem guten Drittel.
Trotz allem kann man wohl die These wagen, dass man weder in Deutschland noch in Spanien 170 Jahre wird warten müssen. Gerade bei den jüngeren Paaren zeichnet sich eine langsame Entwicklung zur egalitären Aufgabenteilung ab. Aber die Zahlen helfen, um den Unterschied zwischen Einstellung der Bevölkerung und tatsächlicher Aufgabenteilung darzustellen. Zudem zeigt die Studie die positiven Folgen der Arbeitsteilung in der Partnerschaft auf, insbesondere am Vorbild der nordischen Länder, aber auch durch die Umsetzung der Reformen in Deutschland. Die Ausschöpfung des beruflichen Potenzials von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, käme der Wirtschaft und damit der Gesellschaft als Ganzes zugute. Die OECD-Projektion hat für Deutschland ergeben, dass in 20 Jahren eine Steigerung der Wirtschaftsleistung von 12% erreicht werden könnte, wenn Frauen so stark erwerbstätig wären wie Männer. Auch für die Familie zahle sich die stärkere Arbeitsteilung aus. Verbringen Väter mehr Zeit mit ihren Kindern, komme dies der Entwicklung der Kinder nachweislich zugute. Das Scheidungsrisiko sinke und die physische und psychische Gesundheit der Väter erhöhe sich. Durch die Verwirklichung der Karrierechancen der Mütter erlangen diese eine langfristige Einbindung in den Arbeitsmarkt, höhere Rentenansprüche, finanzielle Unabhängigkeit und verbesserten die finanzielle Lage der Familie insgesamt.
Vor diesem Hintergrund sind die zukünftigen Entwicklungen weiter zu beobachten.
Von Alma Laiadhi
Schlagwörter: Frauen