Wellen
Buchtipp:
Eduard von Keyserling (1911, neu 2011 bei Manesse)
Keyserling wurde 1855 in eine baltendeutsche Adelsfamilie in Kurland (damals Russland, heute Aizpute in Lettland) geboren und wuchs mit elf Geschwistern auf.
Die starr auf Traditionen beruhende Lebensform dieser Adeligen war dem Untergang geweiht. Keyserling beschreibt dies in seinen Werken, wobei er sehr oft den Blickwinkel der Frauen einnimmt, denen er mehr Zukunftswillen zutraut. Durch seine psychologische Beobachtungsgabe und sein teils ironisches Darstellungstalent gilt er als der größte impressionistische Erzähler deutscher Sprache.
1894, nach dem Tod seiner Mutter, zog er mit zwei künstlerisch begabten Schwestern nach München, wo er in der Schwabinger Bohème verkehrte und sich zum impressionistischen Erzähler entwickelte. Durch eine Syphilisinfektion erkrankte er an einem Rückenmarksleiden und erblindete mit 45 Jahren. Er starb 1918 in München.
In seinem Roman Wellen von 1911 schildert Keyserling das scheinbar unkonventionelle Leben einer Gräfin, die unstandesgemäß mit einem Maler in einem Häuschen am Strand der Ostsee lebt. Das ungleiche Paar wird von der Familie eines Barons beobachtet, die sich zur Sommerfrische am Meer aufhält. Jedes Familienmitglied entwickelt Fantasien in Bezug auf das Liebesleben der beiden, die sich in erotischen Sehnsüchten bzw. deren Verdrängung äußern. Trotz eines nach außen völlig geregelt wirkenden Alltags entspannt sich eine Dramatik von hoher atmosphärischer Dichte. Allerdings geht es im Leben der Gräfin im Fischerhäuschen nicht annähernd so frivol zu, wie es sich die adlige Gesellschaft ausmalt, denn der Maler erweist sich als eitler und großsprecherischer Pseudorevolutionär.
Der Roman wurde 2005 verfilmt und es gibt ihn auch als Hörspiel: www.youtube.com/watch?v=ECkauLO-Q0w.
Von Katharina Städtler, Mai 2021
Schlagwörter: Geschichte, Literatur