Zum 100. Geburtstag Maria Callas
Maria Callas (1923 – 1977) bleibt allzeit unvergessen: die unsterbliche Opernsängerin, die Primadonna, die griechische Diva mit südländischem Temperament und einem gewaltigen Stimmregister, das drei Oktaven beherrschte und mit Leichtigkeit das hohe C erklomm: Maria Callas, la Divina, die Göttliche der Musik. Nie zuvor hatte eine Sängerin die Menschen so fasziniert und gerührt wie Maria Callas. Dabei war ihre steile Weltkarriere nicht von langer Dauer.
Eine professionelle Bühne betrat sie zum ersten Mal in Athen am 27. August 1942 in Tosca. In den Jahren von 1949 bis 1965 sang „die Callas“ insgesamt 540mal in 42 Opernpartien und wurde an allen großen Opernbüh-nen Europas und an der MET in New York gefeiert. Ihre ein-zigartige Sopranstimme, brillante Koloraturtechnik und dra-matische Dichte in der Rollengestaltung sowie ihr breit gefä-chertes Repertoire – u.a. die Wiederbelebung zahlreicher vergessener Belcanto-Opern wie die von Rossini und Bellini – machten Maria Callas zur weltberühmten Operndiva.
In ihrer Starrolle als Tosca von Puccini trat Maria Callas insgesamt 51mal auf und verabschiedete sich in dieser Personifizierung am 5. Juli 1965 von der Oper. Ihr letzter Auftritt in Covent Garden, London war ein unvergessliches Ereignis, denn überall, wo sie sang, wirkte die Ausstrahlung der Diva weit über die Opernwelt hinaus. Die Stimme von Maria Callas gepaart mit einer außergewöhnlichen Darstellungskunst übten eine magische Wirkung auf das Publikum aus. Ihre herausragenden Gaben waren jedoch vom unglücklichen Verlauf ihrer persönlichen Beziehungen beeinflusst.
Der Dokumentarfilm von Tom Volf (2018) „Maria by Callas“ bringt die Dualität zwischen den beiden extremen Persönlichkeiten, die sie in sich vereinte, auf den Punkt. Der innere Kampf, den die sensible Frau Maria Callas gegen ihren Ruhm der vitalen auf der Bühne ihr Ganzes gebenden Opernsängerin ausfechten musste, höhlte ihre Kräfte aus: „Ich wäre gern immer Maria, aber da ist die Callas, auf deren Höhe ich sein muss“. Aber welche Person war Maria Callas jenseits der Bühne?
Maria Anna Cecilia Sofia Kalogeropoulou, kam am 2. Dezember 1923 im New Yorker Washington Heights als Tochter des griechischen Einwandererehepaares George Kalogeropoulo und Evangelina Dimitriadis zur Welt. Als der Vater im griechischen Viertel von Manhattan eine Apotheke eröffnet, ändert die Familie 1929 ihren Namen in Callas. Maria besucht die Schule in Brooklyn und genießt bereits mit 8 Jahren ihre erste Gesangsausbildung. 1936 zieht sie nach der Scheidung der Eltern mit ihrer Mutter nach Griechenland. Ab 1938 absolviert sie in Athen ein Gesangsstudium am Konservatorium, wo sie vor allem von Maria Trivella und Elvira de Hidalgo unterrichtet wird.
Ihr Gesangsdebüt vollzieht Maria Callas mit nur 15 Jahren als Santuzza in einer Studentenaufführung des Athener Opernhauses von Cavalleria rusticana am 2. April 1939. Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs werden die künstlerischen Engagements der Sängerin unterbrochen.
Nach Kriegsende kehrt Callas nach New York zu ihrem Vater zurück. Über die United States Opera Company tritt sie 1947 in Verona (Italien) in der Opernaufführung von La Gioconda in der Titelrolle auf. Im selben Jahr feiert sie ihren Erstauftritt an der Mailänder Scala. 1949 heiratet sie den erfolgreichen Unternehmer Giambattisti Meneghini, den sie in Verona kennen gelernt hatte und der fortan ihre Karriere als Sängerin organisiert. Durch ihren Ehemann nimmt sie die italienische Staatsbürgerschaft an.
Den griechischen Reeder Aristoteles Onassis, die Liebe ihres Lebens, lernt Maria Callas 1959 in London kennen und verlebt Monate privaten Glücks auf Onassis Yachten und auf den griechischen Inseln. Das Gerücht, Maria Callas habe 1960 ein Kind von Onassis zur Welt gebracht, das kurz nach der Geburt starb, ist nie bestätigt worden. Eine einschneidende tiefe emotionale Demütigung erfährt Maria Callas, die sich für Onassis von ihrem Ehemann Meneghini getrennt hatte, als Onassis 1969 unerwarteterweise vor aller Weltöffentlichkeit die Witwe des ermordeten amerikanischen Präsidenten John Fitzgerald Kennedy, Jacqueline Kennedy, heiratet.
Von Depressionen heimgesucht – auch hatte sie sich mehreren drastischen Diätkuren unterzogen, die sie in eine schlanke spektakuläre Schönheit verwandelten – zieht sich „die große Callas“ 1965 endgültig von der Opernbühne zurück. Ihre Ehe mit Meneghini wird 1971 aufgelöst. Ihr beachtliches schauspielerisches Talent beweist Maria Callas 1969 in der Hauptrolle des Filmes „Medea” unter der Regie von Pier Paolo Pasolini. In den Jahren 1971 und 1972 wirkt sie als Pädagogin in New York. 1973 stellt sich Maria Callas zusammen mit ihrem Freund und Kollegen, dem Tenor Giuseppe Di Stefano, als Regisseurin unter Beweis. Der Film „Die Sizilianische Vesper” bringt allerdings nicht den erwarteten Erfolg. Im selben Jahr folgt eine erneute Tournee von Callas durch Europa und die Bundesrepublik Deutschland. Nach ihren letzten Konzerten 1974 verzichtet die Operndiva auf öffentliche Auftritte, um in den folgenden Jahren Gesangsunterricht zu erteilen und ein zurückgezogenes Privatleben in Paris zu führen.
Die Primadonna assoluta stirbt am 16. September 1977 in Paris an Herzversagen und wird unter der bewegten Anteilnahme der Öffentlichkeit in der französischen Hauptstadt beigesetzt.
Zahlreiche Biografien sind seitdem über den Opernstar Maria Callas erschienen, wie die von Stellos Galatopoulos „Maria Callas.Die Biographie“ (1999). Während dieser Titel noch neutral ist, beinhalten andere ein Leben zwischen Kunst und persönlichem Schicksal: Gunna Wendt „Maria Callas. Musik ist das, was ich am meisten liebe“ (2017), Michelle Marly „Die Diva. Maria Callas, die größte Sängerin ihrer Zeit und das Drama ihrer Liebe“ (2020), Arnold Jacobshagen „Maria Callas. Kunst und Mythos“ (2023), Eva Gesine Baur „Maria Callas. Die Stimme der Leidenschaft“ (2023), usw. In einer der letzt erschienenen Biografien deckt die nordirische Historikerin Lyndsy Spence Cast a Diva: The hidden life of Maria Callas (2022) anhand persönlicher Dokumente der Sopransängerin, wie Tagebücher, Briefe, etc. das Drama der Maria Callas in der Beziehung zu Männern – zu ihrem Vater, ihrem Ehemann Meneghini und zum Milliardär Aristoteles Onassis – auf. Da ist von mangelnder Liebe und dem Egoismus der Eltern, von Vergewaltigungen, Drogen und anderen Exzessen in Bezug auf Meneghini und Onassis die Rede. All diese negativen privaten Erlebnisse mögen wohl die Ursache gewesen sein für Maria Callas Depressionen und sonstigen Krisen, welche bereits zu ihren Lebzeiten vielfach die Schlagzeilen der damaligen Presse füllten.
In ihrem 100. Geburtsjahr verkörpert die amerikanische Schauspielerin Angelina Jolie die Operndiva Maria Callas. Ob Jolie die Göttliche darzustellen vermag, wird zu sehen sein.
Tito Gobbi, Bariton und Kollege Maria Callas, der in ihrem letzten Opernauftritt als Tosca in London den Polizeichef Scarpia verkörpert, fasst das einzigartige Phänomen Callas in schlichten Worten zusammen: „Ich glaubte immer, dass sie unsterblich sei – und sie ist es!
Von Dr. Evelyn Patz-Sievers, Dezember 2023
Schlagwörter: Frauen, Geschichte, Musik