Katharina von Bora
Skandalöses Eheweib und emanzipierte Hausfrau
Lange blieb die Frau an Martin Luthers Seite unbeachtet, doch im Jubiläumsjahr der Reformation blicken wir auch auf die weiblichen Rollenvorbilder, die sie hervorgebracht hat. Da steht die Frau des Reformators natürlich an erster Stelle.
Wenige Quellen belegen, wie wir sie einzuschätzen haben. Nicht einmal der Geburtstag – wahrscheinlich der 29. Januar 1499 – und die Herkunft sind wirklich gesichert. Sie ist wohl Tochter aus verarmtem Adel südlich von Leipzig. Verbürgt ist, dass sie mit nicht einmal 6 Jahren ins Benediktinerinnenkloster nach Brehna gegeben wurde, mit knapp 10 ins Zisterzienserinnenkloster Marienthron in Nimbschen wechselte und dort mit 16 ihr Gelübde als Nonne ablegte. Sie lernte Lesen und Schreiben, etwas Latein und erfuhr getreu dem Motto „ora et labora“ Praxiswissen in der Haus- und Landwirtschaft.Sie klagte nicht über ihr Klosterleben, ging es ihr hier doch vermutlich besser als wäre sie als nutzloser Esser daheim geblieben.
Und doch muß sie der Gedanke umgetrieben haben, ob dieser Weg für den Rest ihres Lebens der richtige sei. Als Luther sich gegen Ordensgelübde ausspricht, dringt dies bis in ihr Kloster vor und bewegt Katharina und weitere Nonnen zur Klosterflucht. In der Osternacht des Jahres 1523 fliehen sie einer ungewissen Zukunft entgegen. Der Weg führt sie nach Wittenberg.
Hier ist die Ankunft der entlaufenen Nonnen eine Sensation. Sie gelten als gefallene Damen mit niederen Beweggründen. Wer sich gegen sein Gelübde versündigt, ist zu allen Sünden bereit. Solchen Anfeindungen tritt Luther entschlossen entgegen, hatte er doch die prekäre Situation erst geschaffen, in der sich die Nonnen nun wiederfinden. Sie werden einstweilen untergebracht, Katharina wohl im Hause des Malers Lukas Cranach, doch für den weiteren Verbleib der Damen gibt es keinen modus vivendi. Kloster und Familie scheiden als Versorger aus, also ist Heirat der einzige Ausweg, wenn sie nicht in dem Gewerbe enden wollen, das ihnen böse Zungen sowieso nachsagen.
Gebildet und wohlerzogen, doch mit dem Makel der Klosterflucht behaftet, stehen sie auf dem Heiratsmarkt wie seltene Vögel. Nach einem enttäuschten Versuch will Katharina nicht länger feilgeboten werden. Den Doktor Luther höchstselbst würde sie nehmen, punctum. Der rechnet eher damit in nächster Zeit als Ketzer hingerichtet zu werden, denn zu heiraten. Doch Katharina überzeugt ihn. Am 13. Juni 1525 findet die Hochzeit statt, ein gelebtes Bekenntnis zu Luthers Lehren.
Auch dies erhitzt die Gemüter. Ein abtrünniger Mönch und eine entlaufene Nonne, was soll aus dieser Ehe hervorgehen, der Antichrist?
Katharina zieht zu Luther ins Schwarze Kloster, ein riesiger Kasten mit Hörsälen und Dutzenden Mönchszellen, doch ohne Inventar und ohne Mitgift nicht mehr als ein Dach über dem Kopf. Kein Einkommen, wenig Gegenliebe bei den Nachbarn und ein Ehemann, der sich ganz anderen Dingen verpflichtet sieht. Dass Katharina in dieser Situation nicht verzweifelt, zeigt ihre wahre Charakterstärke.Sie nimmt sich der Aufgabe als „Hausfrau“ an, doch nicht wie die Hausfrau des 19. oder 20. Jahrhunderts, die daheim bleibt und nicht wieder in Erscheinung tritt. Katharina erarbeitet aus dem Nichts eine umfassende Selbstversorgerwirtschaft mit Gärten, Feldern, Vieh, eigener Brauerei und Gesinde. Sie kauft Land und sichert als Hausvorstand die weltlichen Geschicke der Familie. Luther nennt sie „Herr Käthe“.
Sechs Kinder gebiert sie, eins davon stirbt im Säuglingsalter. Alle anderen zieht sie groß. Nichten und Neffen ziehen ins Lutherhaus, eine Tante, mehrere Hauslehrer und unzählige Studenten. Sie bewirtet Luthers Freunde und Kollegen, auch Kurfürsten und Herzöge. Statt sich im Hintergrund zu halten und ihrem Mann „den Rücken zu stärken“, interessiert sich für seine geistige Welt. Im Meinungsaustausch am heimischen Tisch entwickelt sie ein beachtliches theologisches Verständnis, das Luther auch zu schätzen weiß. Die Zeiten, in denen er „Frauen sollen gebären und basta“ predigte, gehören der Vergangenheit an, davon hat Katharina ihn kuriert. Sie war die Wegbereiterin des heute noch gelebten evangelischen Pfarrhauses, das jedermann offensteht.
Luthers Tod 1546 stürzt Katharina in eine Krise. Er, der die selbstbestimmte Frau in ihr erkannte, hatte sie zur Alleinerbin eingesetzt. Doch die Welt ist nicht bereit für eigenständige Frauen. Katharina und ihre Kinder werden unter Vormundschaft gestellt, Einkünfte beschränkt, Rechte beschnitten. Sie setzt sich zur Wehr, doch als der Schmalkaldische Krieg kommt, müssen sie nach Magdeburg fliehen. Bei ihrer Rückkehr finden sie Brache und Ruin vor. Es gelingt ihr nicht mehr an ihr vorheriges Leben anzuknüpfen. Als sie 1552 vor einer weiteren Pestwelle nach Torgau flieht, verletzt sie sich bei einem Kutschenunfall schwer und stirbt kurz vor Weihnachten an den Folgen. Diejenigen, die ihrem Sarg folgen, tun es, weil sie ihren Mann verehrten, sie selbst versinkt in der Bedeutungslosigkeit.
Erst in der heutigen Zeit wird die starke Frau wiederentdeckt, die zwar keine Revolution in der Frauenbewegung auslöste, doch sich ihre Stellung im Leben hart erarbeitete und innerhalb der Grenzen der damaligen Zeit ihre ganz eigene Emanzipation lebte.
Von Kati Niermann
Schlagwörter: Biografisches, Europa, Frauen