Rose Ausländer (1901 – 1988)
Rose Ausländer, die Lyrikerin aus der Bukowina, hatte immer ihre grün bewaldete Heimat vor Augen.
Sie führte ein bewegtes Leben und pendelte zwischen Europa und Amerika hin und her. Letztlich fand sie Ruhe in Deutschland, dichtete unentwegt ihre Verse und verstarb, hochgeehrt, im Alter von 87 Jahren im Nelly-Sachs-Haus der jüdischen Gemeinde Düsseldorf.
Czernowitz
Friedliche Hügelstadt
von Buchenwäldern umschlossen
Weiden entlang dem Pruth
Flöße und Schwimmer
Maifliederfülle
um die Laternen
tanzen Maikäfer
ihren Tod
Vier Sprachen
verständigen sich
verwöhnen die Luft
Bis Bomben fielen
atmete glücklich
die Stadt
Das slawische Wort „Bukowina“ bedeutet „Buchenwald“. Czernowitz war die prachtvolle Hauptstadt des Kronlands Bukowina, gelegen in der malerischen Landschaft der Waldkarpaten am Rande der ehemaligen österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Auf einem enormen Hügel erhebt sich die Stadt am Flusstal des Pruth, von einer Kette mächtiger Buchenwälder umschlossen.
Vor den Weltkriegen zählte Czernowitz ca. 160.000 Einwohner, die sich aus Deutschen, Ukrainern, Juden, Rumänen, Ruthenen (Weißrussen), Huzulen (Bergbewohner der Vorkarpaten) und polnischen und ungarischen Minderheiten zusammensetzte. Czernowitz, die buntgewürfelte Stadt, in der sich das germanische mit dem slawischen, lateinischen und jüdischen Kulturgut vermischte, wurde auch „Klein Wien“ genannt. Die deutschsprachige kulturelle Dominanz war tolerant und beachtete ebenso andere Werte und Kulturen. Gleichzeitig war Czernowitz ein Zentrum nationaler Bewegungen der Rumänen und Ukrainer. Die ukrainische Nationaldichterin Olga Kobylanska schrieb in Czernowitz ihre ersten deutschsprachigen Texte.
1918 wurde die Bukowina dem Königreich Rumänien zugesprochen. Deutsch blieb Umgangs- und Kultursprache des Großteils der Bevölkerung. Czernowitz war bis 1944 eine ost-österreichische Kulturmetropole mit einer besonderen mythisch-mystischen Atmosphäre, aus der zahlreiche deutsche und jüdische Schriftsteller hervorgingen (unter anderen Paul Celan, Alfred Margul-Sperber, Rose Ausländer, Alfred Kittner, Karl Emil Franzos, Moses Rosenkranz und der bedeutendste jiddische Lyriker Itzig Manger). Seit Ende des 2. Weltkrieges gehört die Bukowina zur Ukraine.
Große Naturparks, breite Prachtstraßen und Plätze und prächtige Gebäude zeugen heute von den Glanzzeiten des früheren Kaiserreichs, wie der Ringplatz, das Rathaus, das Theater, die Kathedrale, die Herrengasse mit dem Museum für Landeskunde, die 1864 im neoromantischen Stil erbaute prachtvolle Universität (ehemaliger Palast der Bukowiner Metropoliten), das barocke Café Wien, usw. Der jüdische Friedhof, den die große – halbverfallene – Synagogenkuppel krönt, beherbergt zahlreiche kunstvoll ausgestattete Gräber, Gärten und Mausoleen der ehemals breiten und wohlhabenden jüdischen Bevölkerungsschicht. In Czernowitz, dieser multikulturellen und vielsprachigen Metropole, wurden 1901 die deutschsprachige Lyrikerin Rose Ausländer und 1920 der berühmte Dichter Paul Celan („Die Todesfuge“) geboren.
Rose Ausländer verlebte eine behütete Kindheit in Czernowitz, die ein jähes Ende fand, als der 1. Weltkrieg ausbrach. Die Familie – Vater Scherzer war Kaufmann und Prokurist einer Import-Export-Firma – floh zu Verwandten nach Budapest und Wien. Nach ihrer Rückkehr studierte Rosalie Scherzer Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität und konnte ihr Interesse an Kunst, Literatur und Politik in dem anregenden Geistesklima der Vielvölkerstadt entfalten.
Als die Familie nach dem frühen Tod des Vaters verarmt, wandert Rose Ausländer mit ihrem Studienfreund Ignaz Ausländer 1920 nach Amerika aus. In Minneapolis betreut sie als Hilfsredakteurin die deutschsprachige Zeitschrift „Westlicher Herold“ und fügt eigene Gedichte ein. 1923 heiratet sie Ignaz Ausländer in New York, wo sie als Bankangestellte arbeitet. 1926 trennt sich das Paar, wenngleich Rose Ausländer den Namen zeitlebens beibehält.
1939 kehrt Rose in ihre Geburtsstadt zurück, um ihre schwerkranke Mutter zu pflegen, und wird 1941 nach der Besetzung von Czernowitz durch deutsche Truppen, zusammen mit der Mehrzahl der 60.000 jüdischen Bewohner der Stadt, ins jüdische Ghetto getrieben. Im Untergrund lernt sie unter anderen Intellektuellen den jungen Paul Celan kennen. Alfred Margul-Sperber verhilft Paul Celan und Rose Ausländer zu Veröffentlichungen. Ausländers Gedichtband „Der Regenbogen“ wird ein Erfolg. In Kellerverstecken überlebt Rose die Judenverschleppungen nach Transnistrien.
Die Bukowina fällt nach Ende des 2. Weltkrieges an die UdSSR, und Rose Ausländer verlässt ihre Heimatstadt Czernowitz, lebt in Bukarest und emigriert 1946 wiederum in die USA. In New York arbeitet sie als Übersetzerin und Fremdsprachenkorrespondentin und schreibt Gedichte in englischer Sprache.
Bei einer Europareise trifft sie 1957 in Paris auf Paul Celan, der ihr die deutsche Moderne nahebringt. Diese wird für ihr weiteres Iyrisches Schaffen prägend. Rose ändert radikal ihren Stil und findet als moderne Lyrikerin zurück in ihr Mutterland, die deutsche Sprache. Das leichte, wandelbare Wort wird ihr zum unzerstörbaren Halt.
Nach Aufenthalten in verschiedenen europäischen Ländern lässt sich Rose Ausländer 1965 in Düsseldorf und ab 1971 im dortigen Nelly-Sachs-Altenheim der jüdischen Gemeinde nieder. In den achtzehn Jahren, die sie dort – gesundheitlich schwer beeinträchtigt – verbringt, entsteht der größte Teil ihres Werkes.
In ihrem letzten Lebensjahrzehnt wird Rose Ausländer literarisch betreut von Helmut Braun, der zahlreiche Gedichtbände Rose Ausländers veröffentlicht, ihre Biografie sowie diverse Aufsätze über die Dichterin schreibt und als Nachlassverwalter eingesetzt wird. Das Werk Rose Ausländers erhielt etliche Preise, u.a. 1967 „Droste-Preis der Stadt Meersburg“, 1977 „Ida-Dehmel-Preis“ und „Andreas-Gryphius-Preis“, „Ehrenpreis des BDI“, 1980 „Roswitha-Gedenkmedaille der Stadt Gandersheim“, 1984 „Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste“ und das „Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik“, 1986 „Buchpreis der Evangelischen Gemeindebüchereien“.
Buchtipps:
Helmut Braun, Vorsitzender der Rose-Ausländer-Stiftung veranstaltet jährliche Reisen nach Czernowitz. Lesens- und empfehlenswert sind Helmut Brauns „Czernowitz. Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole“ sowie „Czernowitz. 1408-2008. Eine Suche nach dem Mythos“ von Edmund Targan.
Zusatz
Rose Ausländer, die Lyrikerin aus der Bukowina, hatte immer ihre grün-bewaldete Heimat vor Augen. Sie führte ein bewegtes Leben und pendelte zwischen Europa und Amerika hin und her…….. Letztlich fand sie Ruhe in Deutschland, dichtete unentwegt ihre Verse und verstarb, hochgeehrt, im Alter von 87 Jahren im Nelly-Sachs-Haus der jüdischen Gemeinde Düsseldorf……
Von Dr. Evelyn Patz Sievers
Schlagwörter: Biografisches, Europa, Frauen, Literatur