Smart Cities – Hype, Effizienz, Risiko?
Seit mehr als zehn Jahren ist Barcelona in Fachkreisen in der ganzen Welt als “smart city” bekannt. Vor einigen Jahren noch als absolute Vorreiterin, unter den Top 3, mittlerweile haben auch andere Städte aufgeschlossen. Vor Ort sind der Begriff “smart city” und umfassende Digitalisierungsstrategien kein Neuland, sondern manchmal sogar schon verbrannte Erde, “terra cremada / tierra quemada”. Das Institute for Advanced Architecture of Catalonia (IAAC) hat bereits 2016 über “responsive cities” als Antwort auf “smart cities” debattiert. In Deutschland gewinnt das Thema Digitalisierung zwar an Schwung, werden “smart cities” gehypt, die Wirklichkeit bescheinigt aber vielerorts noch Neuland-Status. Die Strategie der EU setzt auf den digitalen Binnenmarkt, Energieeffizienz und nachhaltigen Transport.
Worum geht es eigentlich genau?
Der “Begriff Smart Cities steht für die Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien in fast allen Bereichen auf kommunaler Ebene”, so das deutsche Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI). Kritische Stimmen warnten bereits vor Jahren vor einem unverblümten Ausverkauf großer Teile des Städtemanagements an multinationale Technologiekonzerne und dem allgemeinen Hype rund um “smart cities”, der das Standortmarketing mancher Städte aufpeppen sollte. Der Ansatz der “responsive cities”, in denen Technologien viel stärker den Bürgern und Bürgerinnen der Städte zugutekommen sollen, statt nur auf Stadteffizienz zu setzen, spiegelt eine zusätzliche, kritische Sicht auf den Trend. In unserem liberalen Europa ist die Digitalisierung des Städtemanagements, die Anbindung von allem, absolut allem an das Internet (“internet of things”) jedoch mehrheitlich ein riesiger Fortschritt und Zugewinn an Effizienz.
In Barcelona war es eine recht breit angelegte Zusammenarbeit der Stadtverwaltung mit multinationalen Weltmarktführern, wie Cisco und Microsoft, die sehr früh in Pilotprojekten z. B. Ampelschaltungen in der Metropolregion per Datenanalyse intelligenter gestaltete, die Müllentsorgung automatisierte und Müllcontainer unter die Straße hievte. Mit dem SmartCity World Expo Congress (Barcelona) richtet die Mittelmeermetropole außerdem seit Jahren eine der weltweit bedeutendsten Fachmessen aus. Ohne Zweifel, Barcelona ist Messestadt, neben Paris und Wien eine von drei Städten, die weltweit am meisten Besucher/-innen anzieht. Digital wird in Barcelona großgeschrieben, der Mobile World Congress, als größte Fachmesse der mobilen Technologie und Barcelona als ganzjährige Mobile World Capital, tragen dem Zeugnis. Nicht zuletzt das bewährte Musikfestival Sónar und Sonar+D, die Messe für digitale Kreativität auf allen Ebenen, und Barcelona als einer der führenden Magnete Europas für technologische Start-up-Firmen zementieren die allgemein starke Positionierung der Mittelmeermetropole. Im aktuellen Global Power City Index (GPCI 2018), des Institute for Urban Strategies – Mori Memorial Foundation in Japan, geht es um weitaus mehr als Digitalisierung. Barcelona liegt aktuell auf einem guten Platz 24 (Quelle: http://mori-m-foundation.or.jp/pdf/GPCI2018_rank_en.jpg).
Soweit, so gut. Was aber passiert, wenn die automatische Ein- und Auslese von nun mehr unüberschaubaren Mengen personenbezogener Daten zu einer umfassenden Kontrolle führt? Wie gehen wir also damit um, dass massiv personenbezogene Daten über uns gesammelt werden, um “unsere Stadt” effizienter zu managen? In anderen Ländern werden Schüler/-innen bei Betreten des Schulgeländes elektronisch erfasst, werden gutes Betragen und Fehlverhalten von Bürger/-innen digital erfasst und gesellschaftlich geahndet. In Deutschland wird Datenschutz großgeschrieben. Stichwörter wie “großer Lauschangriff” und Vorratsdatenspeicherung sind regelrechte Reizwörter. Deutsche User sozialer Medien sind notorisch dafür bekannt, so ist es statistisch belegt, überdurchschnittlich oft unter Pseudonym, also inkognito, zu firmieren. Und auch wenn in Deutschland viel auf die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geschimpft wurde, so wurde diese doch von einem deutschen Europaabgeordneter initiiert, und dann in der ganzen EU (!) umgesetzt.
Einige Fragen bleiben also offen.
Barcelona, zusammen mit ihrer deutschen Partnerstadt Köln und Stockholm sind übrigens seit Jahren Partnerinnen im EU-Projekt “Grow Smarter” (Link www.grow-smarter.eu). Empfehlenswert ist der Link zu den aktuellen Informationen über die weiter gefasste Strategie “Digital Smart City” der Stadt Barcelona (https://ajuntament.barcelona.cat/digital/en).
Bildunterschrift: Barcelona ist als Smart City Vorreiterin
Schlagwörter: Kultur, Moderne Welt, Umwelt