Vergangenheitsbewältigung für Einsteiger
Wer sich schwer tut mit der jüngeren Geschichte oder einen Anknüpfungspunkt sucht, um sich damit zu befassen, dem seien 2 Romane ans Herz gelegt, die man gut in der ausklingenden Coronaausgangssperre lesen kann.
Deutsch-spanische Vergangenheit wurde inden Roman Blutorangen von Verena Boos hervorragend seziert und in einzelnen Bildern aufbereitet.
Im Mittelpunkt dieser Drei-Generationen-Geschichte steht die junge Spanierin Maite, die zum Studium nach Deutschland aufbricht. Hier findet sie Zugang zu einer deutsch-spanischen Familie, die ihr Weltbild ins Wanken bringt. Aus einem konservativen valenzianischen Haushalt stammend war sie ihr Leben lang latent unzufrieden. Die Begegnung mit dem Großvater Antonio ihres Freundes hilft ihr diese Unzufriedenheit und Sprachlosigkeit einzuordnen. Sie versteht die Zusammenhäge zwischen deutschland und Spanien und innerhalb ihrer beiden Familien.
Verena Boos malt Szenen aus der deutsch-spanischen Vergangenheit so, dass sie auch der geschichtliche Laie nachvollziehen kann. Spanier in Wehrmachtsuniform, Rotspanier auf der Flucht, Deportation und Fluchthilfe und ein Massengrab des Franco-Regimes. Aber auch spanische Gastarbeitern in den 70ern und Erasmusstudenten in den 2000ern werden beleuchtet. Selbst ein kleiner Abriss zum Katalanismus ist dabei. Hier wird kein Laienwissen ausgebreitet. Man merkt dem Buch das Fachwissen der Autorin an, hat sie doch Geschichte und Soziologie studiert und über nationale Identitäten und Interessen in Schottland und Katalonien promoviert. Jede Person in diesem Buch steht für einen Blickwinkel, für eine Haltung zur Geschichte. Diese zu verstehen wird von Seite zu Seite spannender. Der Roman gibt Aufschluß zu vielen „typisch spanischen“ Verhaltensweisen, vor allem über das Schweigen zur jüngeren Geschichte und dabei ist es auch eine unterhaltsame Lektüre.
Mit der deutschen Vergangenheit befasst sich der Roman „Der Schrecken verliert sich vor Ort“ von Monika Held.
Das nicht ganz einfache Buch spinnt sich teilweise biografisch um Heiner und Lena, er ein Auschwitzüberlebender, sie Angehörige der Nachkriegsgeneration. Wie gelingt eine Liebe, wie meistert man den Alltag, wenn der eine von Albträumen gequält nachts nicht schlafen kann, die andere aber der „Täternation“ angehört? Sie machen sich gemeinsam auf die Reise zu einander und an den Ort des Schreckens. Eindrucksvoll ist geschildert, dass es nach dem Ende des Krieges kein happily ever after gab, sondern das ganze Leben weiterhin vom Trauma des Durchlebten geprägt blieb.
Es ist gut und wichtig, dass jemand diese Geschichten aufzeichnet, bevor die letzten Zeitzeugen uns verloren gehen und für immer verstummen.
Von Kati Niermann
Schlagwörter: Europa, Kultur, Moderne Welt